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Das Freiwilligenprogramm geht weiter: wie das zweite Modul ablief

Das Freiwilligenprogramm geht weiter: wie das zweite Modul ablief

Das Freiwilligenprogramm, das der Geschichte der Leningrader Blockade und der Arbeit mit ihren Überlebenden gewidmet ist, bewegt sich auf seinen Kulminationspunkt zu.

Es sei daran erinnert, dass das Programm aus insgesamt drei Teilen – Lern- und Praxismodulen – besteht: “Geschichte aufgreifen” (über dieses Modul haben wir bereits in einem früheren Artikel berichtet), “Geschichte hautnah erleben” (davon handelt der heutige Artikel) und “Geschichte weitererzählen” (von diesem Modul erzählen wir später). Jedes Modul dauert etwas länger als einen Monat und gestattet es den Freiwilligen, nicht nur alles Wissenswerte über die Ereignisse im damaligen Leningrad zu erfahren, sondern sich auch mit den Überlebenden der Blockade auszutauschen. Zudem erstellen die Freiwilligen auf Basis ihrer neu erlangten Erfahrungen und Kenntnisse eigene kreative Projekte.

Im Herbstprogramm 2021 geht das zweite Modul – zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels – fließend in das dritte über. Nach einem theorieorientierten ersten Modul, in dem die Freiwilligen Kurse zur Geschichte der Blockade sowie zur interkulturellen Kommunikation besucht, einander kennengelernt und sich auf ihr Treffen in Sankt Petersburg vorbereitet haben, begann das zweite: “Geschichte hautnah erleben”.

Das zweite Modul startete mit einem dreitägigen Ausflug in die Oblast Leningrad. Die Ziele des Ausflugs waren ein besseres Kennenlernen der Teilnehmenden untereinander, Teambuildung, das Eintauchen in die bevorstehende Arbeit mit den Blockadeüberlebenden und das Sammeln von ersten Ideen für die zukünftigen Projekte.

Seminar in der Oblast Leningrad, 1. bis 3. Oktober 2021.
Seminar in der Oblast Leningrad, 1. bis 3. Oktober 2021.

Diese Aufgabe haben wir erfolgreich gemeistert. Inspiriert durch ihr gemeinsames Ziel rückten die Freiwilligen nicht nur dank der Spiele enger zusammen, sondern auch durch die Bootstouren, die Spaziergänge durch die herbstlichen Wälder, die Sonnenaufgänge und die tiefgründigen Gespräche bis nach Mitternacht. Die Atmosphäre war freundschaftlich und erinnerte an ein Sommerlager, wie die russischen Teilnehmerinnen anmerkten.

Während des Ausflugs steckten wir uns Ziele für die weitere Arbeit und formulierten unsere Erwartungen an das nächste Modul. Wir lernten den Blockadeverein kennen, in dem wir helfen werden, und verteilten die Aufgaben für die ersten Tage: die Testwoche. Wir betrachteten theoretische Perspektiven auf die Besonderheiten der Arbeit mit Senior/-innen, diskutierten praktische Beispiele (d.h. schwierige Situationen aus den vergangenen Projekten) und besprachen, wie wir uns in diesen und ähnlichen Fällen verhalten würden.

Am Abend des zweiten Tages fanden sich die Teilnehmenden in einem Projektmuseum wieder, in dem die umfangreichsten kreativen Projekte der Freiwilligen aus den vorherigen Programmen (2019-2021) präsentiert wurden: Filme, Ausstellungen, Artikel, ein Podcast, ein Spiel, Sammelbände mit Geschichten und Gedichten usw. Nachdem sie über ihre Eindrücke gesprochen hatten, gönnten sich die Freiwilligen eine Pause, um sich am nächsten Morgen an die Ausarbeitung von Ideen für eigene Projekte zu machen.

Dieser Ausflug war eine “Brücke” zwischen dem ersten, vorbereitenden und dem zweiten, praktischen Modul.

Die Hauptkomponente des zweiten Moduls war die Arbeit in der Akademie für Inspiration und Kreativität. Die AfIK ist ein Freizeitzentrum für Senior/-innen, die die Leningrader Blockade überlebt haben. In diesem Artikel haben wir ausführlich über das Projekt berichtet.

Zu den Aufgaben der Freiwilligen gehören die Hilfe bei der Organisation der Klubs (Tanz- und Theaterklubs, “Smartphone-Café” u.a.), die aktive Teilnahme an den Exkursionen und Aktivitäten der AfIK, die Vorbereitung der Kaffeepausen u.v.m. Die Hauptsache ist, dass die Freiwilligen den Blockadeüberlebenden eine Freude bereiten: durch das aufrichtige Interesse an deren persönlichen Geschichten und ihre grenzenlose Aufmerksamkeit.

Einmal pro Woche hat jede/-r Freiwillige Bereitschaftsdienst. Gemeinsam mit einem zweiten Freiwilligen verbringt die Person einen ganzen Tag in der AfIK. Auf diese Weise gibt es an jedem der fünf Werktage in der Akademie zwei Freiwillige “auf Abruf”: Sie emfangen und begleiten die Blockadeüberlebenden, bereiten die Kaffeepausen vor, unterhalten sich in den Pausen mit den Teilnehmenden und lernen gemeinsam etwas Neues. An den übrigen Tagen kommen die Freiwilligen zu “ihren Klubs” in die Akademie: die, für die sie verantwortlich sind oder gemeinsam mit einem ständigen Leiter organisieren. An Samstagen ist in der Akademie “Freiwilligentag”: ein gezieltes Treffen der Blockadeüberlebenden mit den Teilnehmenden des Programms. Das heißt: zwei bis drei Stunden Gespräche über das Leben und die Geschichte, Tee und Piroggen, aber auch die gemeinsame Arbeit an kreativen Projekten.

Bereits in den ersten Wochen, in denen die Freiwilligen in der Akademie arbeiteten, stellte sich heraus, dass sich die Blockadeüberlebenden bereits an sie gewöhnt haben und ungeduldig auf sie warten, in dem sie beispielsweise fragen: “Kommen unsere Kinderchen heute auch?”

Neben ihrer Haupttätigkeit bei den Blockadeüberlebenden in der Akademie besuchen die Freiwilligen abendliche Vorträge von geladenen Gästen: Historikern, die ihnen einen tieferen Einblick in die Ereignisse jener Jahre bieten, aber auch Spezialist/-innen aus dem Medienbereich (Podcast-Macher/-innen, Journalist/-innen, Regisseur/-innen u.a.), die ihrerseits Inspirationen für Projekte in verschiedenen Formaten liefern. Außerdem versammeln wir uns alle zwei Wochen als Team in den Räumlichkeiten des drb, um zu reflektieren und unsere gemeinsame Arbeit zu planen.

Natürlich umfasst das Programm auch Exkursionen. Im Oktober haben wir beispielsweise eine Tour über die Dächer der Stadt gemacht. Dabei haben wir gesehen, wie das Luftverteidigungssystem funktionierte und wie die jungen Leningrader die Stadt vor Bränden schützten, indem sie Tag und Nacht auf den Dächern Wache hielten. Zudem besuchten wir die Straße des Lebens, die über das Eis (bzw. in der warmen Jahreszeit das Wasser) des Ladogasees die belagerte Stadt mit dem “Großen Land” verband und sie im harten Winter 1941/42 vor dem Untergang bewahrte.

Exkursion zur Straße des Lebens, 31. Oktober 2021.
Exkursion zur Straße des Lebens, 31. Oktober 2021.

Das zweite Modul gehört zu den intensivsten und vielfältigsten. Neben der Arbeit in der AfIK, den Vorträgen, Treffen und Exkursionen gab es noch weitere Veranstaltungen: zum Beispiel eine Stadtrallye, bei der wir viele der Blockade gewidmete Gedenkorte mit eigenen Augen sehen konnten. Wir haben auch einen kulinarischen Abend organisiert, bei dem wir alle zusammen traditionelle deutsche und russische Gerichte kochten.

Über all unsere Veranstaltungen berichten wir auf unserem Instagram-Kanal. Die Texte schreiben die Freiwilligen selbst im Rahmen ihrer Arbeit im “Mediateam”. Das ist nicht nur eine Perspektive von innen, sozusagen aus erster Hand, sondern auch eine wichtige Komponente der Erfahrung als Freiwillige.

Das zweite Programmmodul, “Geschichte hautnah erleben”, dauert bis Mitte November. Anschließend erwartet uns die Arbeit an den kreativen Projekten.