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Zum 110. Geburtstag der sowjetischen Dichterin Olga Bergholz

Zum 110. Geburtstag der sowjetischen Dichterin Olga Bergholz

Olga Fjodorowna (Friedrichowna) Bergholz wurde am 16. Mai 1910 als Tochter eines Arztes im Petersburger Bezirk Newskaja Sastawa geboren. Durch die Familie ihres Vaters hatte Olga deutsche und baltische Wurzeln.

Im Jahr 1918 zog sie gemeinsam mit Mutter und Schwester nach Uglitsch1, denn ihr Vater wurde an die Front einberufen. Fjodor Christophorowitsch war Feldarzt und nahm am Ersten Weltkrieg sowie am Russischen Bürgerkrieg teil. 1921 holte der Vater die Familie aus Uglitsch ab und sie ließen sich erneut im Bezirk Newskaja Sastawa nieder.

Aus der autobiografischen Einführung zum Sammelband des Verlags “Bibliothek der sowjetischen Poesie” erfahren wir, dass Bergholz die Arbeitsschule2 Nr. 117 (heute das Lyzeum Nr. 329) abschloss: “… ich wuchs heran und besuchte die Vereinte Arbeitsschule Nr. 117, in einem Arbeitervorort, in den 20er Jahren, und mein Herzenswunsch waren eine Schirmmütze und eine lederne Jacke – sozusagen, von der äußerlichen Seite. Innerlich waren wir von der Romantik des gerade erst verklungenen Bürgerkriegs erfüllt und vergaßen dabei, dass wir als kleine Kinder selbst dessen unvorstellbare Not mit Hunger und Kälte ertragen hatten; wir träumten davon, an den letzten und entscheidenden Zusammenstößen mit der Bourgeoisie der Welt teilzunehmen.”

“Lenin”, Bergholz` erstes Gedicht, erschien 1925 in einer Wandzeitung der Fabrik “Roter Weber”. Im Ambulatorium dieser Fabrik arbeitete Olgas Vater. Diese erste Publikationserfahrung ermutigte die junge Dichterin in hohem Maße. Sie trat in den Literaturverein der Arbeiterjugend “Smena” ein, wo sie den Dichter Boris Petrowitsch Kornilow kennenlernte, den sie später heiratete. Ihre Ehe dauerte aber nicht lange.

Olga beendete ihr Studium an der Philologischen Fakultät der Universität Leningrad3. Nach dem Ende ihrer Ausbildung ging sie nach Kasachstan, wo sie als Korrespondentin für die Zeitung “Sowjetische Steppe” arbeitete. Auf dieser Reise begleitete sie ihr zweiter Ehemann – der sowjetische Journalist und Literaturwissenschaftler Nikolaj Moltschanow, ein Kommilitone Olgas. Als ihr Mann in die Armee einberufen wurde, kehrte Olga nach Leningrad zurück.

Die Dichterin erlitt viele Schicksalsschläge: den Tod ihrer Töchter, ihre eigene Verhaftung unter dem Vorwurf der “Verbindung mit Feinden des Volkes”, der Tod ihres Mannes Nikolaj während der Blockade …

Die gesamte Zeit der Blockade verbrachte Olga in ihrer Heimatstadt. Sie arbeitete beim Haus des Radios und ging praktisch jeden Tag auf Sendung. Ihre ruhige Stimme gab den erschöpften Leningradern Kraft. Die Menschen glaubten, dass die Stadt nicht aufgebe, solange sie die “Leningrader Madonna” hörten. Die Sendungen und Gedichte, die in diesen Tagen im Radio erklangen, wurden später im Sammelband “Goworit Leningrad” (russ. “Hier spricht Leningrad”) zusammengefasst.

Nach dem Krieg, genauer im Jahr 1959, wurde das lyrische Tagebuch “Dnjewnyje swjosdy” (russ. “Tagessterne”) herausgegeben. Am Beispiel der Biografie der Dichterin zeigt sich das Schicksal einer ganzen Generation. Sieben Jahre später wurde der Roman verfilmt. Im Buch wurde beispielsweise die genaue Route festgehalten, die Olga im Februar 1942 zurücklegte, um ihren Vater im Ambulatorium bei der Fabrik aufzusuchen. Sie legte etwa 10 Kilometer zu Fuß zurück, weil die öffentlichen Verkehrsmittel in der Stadt zu dieser Zeit schon nicht mehr fuhren.

Olga Bergholz wurden mit dem Leninorden, dem Orden des Roten Banners der Arbeit und verschiedenen Medaillen ausgezeichnet – darunter die Medaille “Für die Verteidigung Leningrads”, dem sie das Gedicht “Meine Medaille” widmete.

Am 9. Mai 1960 wurde der Piskarjowskoje-Gedenkfriedhof feierlich eröffnet. Am Ende der 300 Meter langen Zentralen Allee mit den Massengräbern zu beiden Seiten befinden sich auf einem hohen Sockel die Figur der “Mutter Heimat” und eine Gedenkwand, in deren Mitte Olga Bergholz` Epitaph “Hier liegen Leningrader” eingraviert ist. Die Worte “Niemand ist vergessen und nichts ist vergessen” kennen alle Bewohner der Stadt.

Das moderne Sankt Petersburg bewahrt sorgsam das Andenken an die Dichterin: Eine der Straßen des Newski-Viertels trägt ihren Namen und an der Fassade des “Hauses des Radios” befindet sich eine Gedenktafel mit einer bronzenen Plastik sowie Zeilen aus den Gedichten von Bergholz. Denkmäler für die Dichterin findet man auf den Höfen der Philologischen Fakultät der Staatlichen Universität Sankt Petersburg sowie der Fachschule für Kultur und Kunst der Oblast Leningrad. Ein weiteres Denkmal wurden anlässlich des 105. Geburtstags der Dichterin im Palewski-Garten eingeweiht.

Das Haus, in dem sie geboren wurde, ist nicht erhalten geblieben, aber am Haus in der uliza Rubinsteina 7, in dem Bergholz in den 30er Jahren lebte, wurde eine Gedenktafel angebracht. In den letzten Jahren ihres Lebens wohnte die Dichterin im Bereich der Uferpromenade Tschornaja Retschka (russ. Schwarzes Flüsschen). Dort wurde im Jahr 2014 eine nach ihr benannte Grünanlage eröffnet, in deren Zentrum eine Skulpturenkomposition installiert wurde, die aus mehreren Steinstelen mit Gedichten besteht. Auf den Stelen befinden sich Gegenstände aus Granit, die mit dem Leben der Dichterin verbunden sind: eine Schreibmaschine, ein Tagebuch, ein Mikrofon und andere.

Im Jahr 2013 wurde im Lyzeum Nr. 340 des Sankt Petersburger Newski-Viertels das Museum “Quellen des Lebens – Newskaja Sastawa” eröffnet, das dem Leben und Schaffen der Dichterin gewidmet ist.


Quellen:

Olga Fjodorowna Bergholz. Biografischer Überblick: https://ria.ru/20100516/234406155.html.

Biografie von Olga Bergholz: https://biography-life.ru/art/569-olga-berggolc-biografiya-foto-istoriya-lichnoy-zhizni-poetessy.html.

Artikel über Olga Bergholz` Leben in Uglitsch: http://uglichanin-smi.ru/istoriya/1803-uglich-v-zhizni-madonny-leningrada.html.

“Die Stimme des belagerten Leningrad: das Leben von Olga Bergholz” (Artikel): https://saint-petersburg.ru/m/culture/britenkov/371609/.

Offizielle Website des Piskarjowskoje-Gedenkfriedhofs: https://pmemorial.ru/memorial/.

Offizielle Website des Lyzeums Nr. 340: http://school340.ru/.

Olga Bergholz. Gedichte. Bibliothek der sowjetischen Poesie. Moskau, 1962.

Gromowa N.A.: Olga Bergholz: Es gab keinen Tod und es gibt keinen. Erfahrung der Lektüre eines Schicksals. AST-Verlag (“Literarische Biografien”), 2017.

[1] Stadt in der Oblast Jaroslawl.

[2] Schulform, in der die Kinder unter anderem praktischen Fähigkeiten für die Arbeit erwarben.

[3] Heute Staatliche Universität Sankt Petersburg.

[4] Höchste Auszeichnung der Sowjetunion für herausragende Leistungen.

[5] Auszeichnung für herausragende Arbeitsleistungen in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Kunst, öffentliche Aktivität u.a. http://www.museum.ru/museum/orden/list.html.

[6] Park im Sankt Petersburger Newski-Viertel.

[7] Uferpromenade im Sankt Petersburger Primorski-Viertel.