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Zum 76. Jahrestag der Befreiung Leningrads von der Blockade

Zum 76. Jahrestag der Befreiung Leningrads von der Blockade.

Der 27. Januar gehört zu den wichtigsten Gedenkdaten in der Geschichte von Sankt Petersburg, dem ehemaligen Leningrad. Nachdem die fast 900 Tage dauernde Blockade der Stadt durch die deutsche Wehrmacht bereits am 18. Januar 1943 infolge der sogenannten “Operation Iskra” von der sowjetischen Armee durchbrochen worden war, wurde Leningrad am 27. Januar 1944 vollständig befreit. Die Aufhebung der Blockade wurde damals von den Leningradern durch einen feierlichen Salut begangen. Auch heute noch finden an diesem Datum in der Stadt jedes Jahr zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt: Ausstellungen, Lichtinstallationen, ein Feuerwerk über der Peter-und-Paul-Festung und vieles mehr.

Auch das Deutsch-Russische Begegnungszentrum (drb) organisiert regelmäßig Veranstaltungen zum Gedenken an die Leningrader Blockade. Martin Schmitz, einer der Teilnehmenden des Programms für angehende Journalist/-innen im Rahmen des Projekts “Humanitäre Geste”, hat seine Eindrücke von der Veranstaltungen in einem Bericht zusammengefasst.

“Am 27. Januar 2020 fand im drb eine Gedenkfeier anlässlich des 76. Jahrestages der vollständigen Aufhebung der Leningrader Blockade statt. Der Abend stand auch im Zeichen der 2019 vom deutschen und russischen Außenministerium initiierten „Humanitären Geste“. Das Ziel dieses Projektes ist es, durch kulturelle Austauschprogramme sowie historische Bildungsarbeit die Erinnerung an die Leningrader Blockade für russische und deutsche Nachfolgegenerationen aufrecht zu erhalten. Etwa ein Jahr später konnte somit auch eine erste Zwischenbilanz gezogen werden.

Zur Eröffnung des Abends wurde die Hymne St. Petersburgs gespielt: die “Hymne für eine große Stadt” von Reinhold Glier. Anschließend wurde zu einer Schweigeminute für diejenigen Menschen aufgerufen, die den Verteidigungskampf zur Befreiung der Stadt nicht überlebten. Nach der Präsentation von Olga Bergholz‘ Gedicht “Wir können uns jetzt nicht mehr von dir lösen” folgten die Reden der anwesenden Gäste, Mitarbeiter und Freiwilligen.

Dr. Christian Pernhorst, Stellvertretender Referatsleiter Russland, Moldau, Belarus, Östliche Partnerschaft im Auswärtigen Amt, leitete den Abend ein. Er bekräftigte die Relevanz der „Humanitären Geste“, durch welche Deutschland kritisch Stellung zu seinen Kriegsverbrechen nehme und Verantwortung zeige. Insbesondere dankte Herr Dr. Pernhorst den Blockadeüberlebenden, die mit ihrem Engagement und Mut, ihre persönliche Geschichte zu erzählen, einen Beitrag zur historischen Aufarbeitung und der Versöhnung der Völker leisten würden.

Im Anschluss sprach der Fotograf und Bildkünstler Sergej Larenkov über sein Fotoprojekt “Verbindung der Zeiten”, das aktuell im drb ausgestellt wird. Es handelt sich dabei um Fotomontagen, in denen aktuelle Fotoaufnahmen der Stadt mit historischen Fotos aus der Blockadezeit zusammengeführt werden. Ein Foto zeigt beispielsweise den prächtigen Newski Prospekt heute. Auf dem gleichen Bild befindet sich jedoch eine Schwarz-Weiß-Aufnahme zweier Personen, die eine Leiche per Schlittenkonstruktion durch die Straße ziehen. So werden aus heute unscheinbar wirkenden Orten der Stadt Orte der Erinnerung.

Als drittes sprach drb-Leiterin Arina Nemkowa über die 2019 gestarteten Freiwilligenprojekte zur Leningrader Blockade. Die ersten Monate seien ein Erfolg gewesen und die rege Teilnahme junger Deutscher und Russen zeige, dass Interesse daran besteht, die Geschichte gemeinsam aufzuarbeiten. Auch in Zukunft sei es wichtig, an die schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit zu erinnern und die Erzählungen von Generation zu Generation weiterzutragen. Im Rahmen der Erinnerungsarbeit gestalteten Freiwillige daher beispielsweise eine mobile Ausstellung mit wichtigen geschichtlichen Eckdaten, Porträts von Überlebenden und Erläuterungen von Symbolen der Blockade. Darüber hinaus entstand ein Dokumentationsfilm, welcher an diesem Abend Premiere feierte. 

Der Film „Blokadniki“ wurde 2019 von den Freiwilligen Lale Ohlrogge und Martin Schmitz des Zeitzeugen-Projekts der „Humanitären Geste“ gedreht. In dieser Dokumentation berichten drei Zeitzeugen über ihre persönlichen Erlebnisse und Eindrücke von der Blockade. Obwohl die schrecklichen Erzählungen und bewegenden Schicksale als Mahnmal der Geschichte wirken, zeigt der Film nicht zuletzt auch die wiedererstarkende Kraft und den ungebrochenen Lebensmut der Überlebenden.

Die nächsten Gäste auf der Bühne waren Schüler der ehemals reformierten Schule Nummer 636, welche die „Humanitäre Geste“ seit mehreren Monaten begleitet. In ihrer AG nehmen die russischen Schüler an Workshops teil oder führen Aktionen und Programme zum Thema Leningrader Blockade durch. Dazu gehören Theaterworkshops und Zeitzeugentreffen ebenso wie Austauschtreffen mit Gästen aus Deutschland. Die Schüler gratulierten den anwesenden Blockadeüberlebenden mit dem Vers “Für die Leningrader Kinder” von K. Tschukowskij.

Am Ende der Abends verlieh Arina Nemkowa Urkunden an junge Übersetzer der englischen und deutschen Sprachabteilungen der Staatlichen Universität von St. Petersburg: Erstere hatten das Buch der Blockadeüberlebenden Louise Davies “Just Another War. How I survived the Siege of Leningrad” vom Englischen ins Russische übersetzt, während letztere das drb im Dezember 2019 tatkräftig als Dolmetscher bei den Zeitzeugengesprächen im Rahmen des Seminars für Journalist/-innen in Repino unterstützt hatten. Danach wurden die Blockadeüberlebenden für ihre Verdienste mit Blumen geehrt und alle Gäste versammelten sich für gemeinsame Fotos.

Nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung wurde zu Tee und Piroggen eingeladen. Diese Zeit nutzten die Gäste, um miteinander über die Pilotphase des Erinnerungsprojekts zu reflektieren. Russische und deutsche Teilnehmer, Alt und Jung, kamen ins Gespräch, zeigten sich begeistert vom Engagement und Programm des drb und lobten den interkulturellen Generationenaustausch der besonderen Art. Diese gesellige Zusammenkunft wurde begleitet von durch die ganze Stadt hörbaren Salvenschüssen, die seit dem Tag der vollständigen Aufhebung der Blockade  am 27.01.1944 jährlich an den Tag der Befreiung erinnern.”

Martin Schmitz, Teilnehmer des Freiwilligenprogramms für angehende Journalist/-innen