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Tagebücher in der „Online-Bibliothek“

Tagebücher in der „Online-Bibliothek“

Das Tagebuch von Nikolaj A. Filippow

Zu Beginn der Blockade war Nikolaj Alexandrowitsch Filippow 35 Jahre alt. Er war Ingenieur, genauer Spezialist für Metallausrüstung im Projektbüro des „Bolschewik“-Werks. Die digitale Version seines Tagebuchs wurde auf der Website des Projekts „Proschito“ veröffentlicht. Das Original befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt im Museums- und Ausstellungskomplex „Die Verteidigung und Belagerung Leningrads“. Hier ein Ausschnitt daraus:

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Eintrag vom 5. Dezember 1941

Ich bin schon 35 Jahre alt, bin ein guter (so meint man) Spezialist für metallurgische Ausrüstung und jetzt auch Träger eines Ordens.

Ich wohne schon immer in der Stadt Leningrad, habe hier die Revolution überlebt, viele Schrecken und Unannehmlichkeiten gesehen, in Leningrad die Hungerjahre 1919-1921 überlebt, die Jahre des fürchterlichsten Niedergangs. Vieles musste ich durchmachen, doch ich sage frei heraus, einen solchen Schrecken, wie ich ihn jetzt ertragen, sehen und an der eigenen Haut spüren muss, habe ich noch nie im Leben erfahren. Dieser Alptraum prägt sich für das ganze Leben ein und hinterlässt eine Spur, eine tiefe Spur, in der Gesundheit und den Kräften der erwachsenen Bevölkerung.

Ich weiß nicht, ob das Schicksal für mich den Tod oder meiner Meinung nach Bedeutenderes bereithält.

Über einen literarischen Stil verfüge ich nicht und bemühe mich, der Reihe nach jene Ereignisse zu schildern, die ich sehen und hören, vor allem aber erleben muss.

Ich wage zu versichern, dass alles, was hier aufgeschrieben ist, die reine Wahrheit ist. Ich habe nichts hinzugefügt und auch nichts weggelassen, doch auch das ist genug, um verrückt zu werden. […]

Das Tagebuch von A. Naumow

Die digitale Version dieses Tagebuchs wurde auf der Website des Projekts „Proschito“ veröffentlicht. Leider sind der Vorname und das genaue Alter des Autors nicht bekannt. Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass er in Rente und verheiratet ist sowie eine erwachsene Tochter hat. Einige Zitate aus dem Tagebuch:

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Eintrag vom 2. April 1942

Donnerstag. Frost. Artilleriebeschuss um 11 Uhr vormittags. Ich schreibe nicht jeden Tag davon, irgendwie vergisst man das, vielleicht haben wir uns daran gewöhnt? Heute ist Gründonnerstag. Mein Gott! […]

Eintrag vom 5. April 1942

Christus ist auferstanden!!!

Sonntag. Nachts um 1.30 Uhr wurden wir, schon schlafend, erneut hochgerüttelt; schon wieder ein Luftangriff, schon wieder Donnergeräusche, schon wieder nach unten rennen, doch welchen Sinn hat das, wo ist die Rettung? Nirgends. Doch wir stiegen ins Erdgeschoss hinab, schauerlich, dass es in dieser Heiligen Nacht war. Schon wieder Donnergeräusche, schon wieder das Pfeifen der Bomben, der Schein von Feuern, die von dem verfluchten Deutschenpack abgefeuerten Raketen. Es ist kalt auf der Treppe, die Menschen rennen mit Bündeln und Koffern umher, sie tragen und führen Kinder in den Luftschutzkeller, dort ist es kalt und dunkel, Schrecken und Durcheinander. Ich hielt es nicht aus, war durchgefroren, die Beine tragen mich nicht mehr, darum beschloss ich, Gott befohlen, nach Hause zu gehen. Wir waren kaum angekommen und hatten uns ausgezogen, da wurde Entwarnung gegeben. Einen solchen Angriff, ein solches Grauen hat es noch nicht gegeben, es war unglaublich. Rita war allein zu Hause und sagt, wenn sich das heute Nacht wiederholen wird, dann verlässt sie einfach das Haus, ansonsten kann man verrückt werden. Es ist ein Alptraum. […]

Eintrag vom 10. April 1942

Freitag. Das Wetter ist wunderbar, denn die Sonne scheint stark und vor allem wundervoll. Die Seele freut sich, doch mit der Gesundheit ist es schlecht, sehr schlecht.

Das Tagebuch von Lidia Schiljonok

Die digitale Version dieses Tagebuchs wurde ebenfalls auf der Website des Projekts „Proschito“ veröffentlicht. Das Original befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt im Staatlichen Heimatmuseum „Narwskaja Sastawa“. Als sie das Tagebuch führte, war die Autorin 18 Jahre alt. Die hier angeführten kurzen Ausschnitte enthält im Original zahlreiche Fehler in Bezug auf Rechtschreibung und Zeichensetzung, die in der Übersetzung korrigiert wurden.

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Eintrag vom 7. September 1941

Die Schrecken des heutigen Tages. Das werde ich nie vergessen: Pfeifend fallen Bomben, danach eine derartig schwere Explosion, ein Grollen in der Luft! Die Erde bebt! Das Klirren von Glas. Heute gab es sehr oft Luftalarm, um die 14 mal. An einer Stelle wurde ein Flugzeug getroffen, es explodierte mitsamt der Ladung in der Luft und stürzte brennend ab. Das Krachen übertönte augenblicklich alles. Zuerst entstand eine schwarze Wolke, dann eine rosafarbene, nach dem Feuer. Gegenüber in der Nowoproloschennaja-Straße gab es einen Brand. Auf das K.-Werk wurden Bomben abgeworfen. Für etwa 20 Minuten gab es eine Pause, danach wiederholte sich alles. Der Alarm war zu Ende, nach dem Krachen kehrte Stille ein. Die Nerven tun ihr Übriges. Als ob am Himmel ununterbrochen Flugzeuge brummen. Das Geräusch der fallenden Bomben klingt in den Ohren! Für etwa 25 Minuten konnten wir uns erholen, danach feuerten weittragende Geschütze. Vor dem Abschuss sieht der Himmel aus wie in Flammen getaucht, danach fliegt mit einem Pfeifen das Geschoss.

Eintrag vom 1. Januar 1942

Da ist nun 1942 angebrochen, das viele Veränderungen versprach, doch ach! Nichts ist passiert! Alles ist gescheitert – alle Hoffnungen und Träume!

Das Tagebuch von Anna Kaschirina

Das Tagebuch der Leningrader Schülerin Anna, die 1942 in der belagerten Stadt starb, erzählt von den schrecklichen Ereignissen zu Beginn der Blockade und den unerträglich schweren Bedingungen des Lebens der Leningrader während des ersten sowie auch kältesten und hungrigsten Blockadewinters.
Hier ist das Vorwort zu Annas Tagebuch:

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Januar 1942

[…] Demnächst und auch jetzt schon steht uns die schwierigste und anstrengendste Zeit bevor. Ich habe entschieden, detaillierte Aufzeichnungen über den Vortag zu führen. Die Tage verlaufen eintönig, nichtsdestotrotz wird es interessant für mich sein, falls ich all diese Herausforderungen überlebe, mich an das Vergangene zurückzuerinnern. Es ist sehr schwer, das 15. Lebensjahr (ich wurde am 22. Mai 1926 geboren), also die schönsten Jahre, in einer so schwierigen Zeit zu erleben. Wenn jemand mein Tagebuch in die Hände bekommt, möge er es lesen und herausfinden, wie die Einwohner der Stadt Lenins zu Beginn des Jahres 1942 gelebt haben.

[Unterschrift] A. Kaschirina