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Symbole der Leningrader Blockade

Symbole der Leningrader Blockade

Im Rahmen des Zeitzeugenprogramms beschäftigen sich die Teilnehmenden des journalistischen Freiwilligendienstes mit der Geschichte der Leningrader Blockade. Dabei besuchen sie die Veranstaltungen zum Thema Blockade, die im Rahmen der „Humanitären Geste“ organisiert werden, und leisten einen großen Beitrag zur medialen Aufbereitung der Programme.

Dieser Text wurde von Dominique Hausler ehrenamtlich geschrieben.

“Ich möchte diese Zeilen nutzen, um über Begriffe, die eng in Zusammenhang mit der Blockadezeit stehen, sowie über Symbole für die Belagerung der Stadt Leningrad sprechen. Die Belagerung der Stadt durch die deutsche Wehrmacht dauerte vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 und damit fast 900 Tage!
In dieser Zeit des Schreckens herrschte infolge der deutschen Hungerpolitik andauernde Nahrungsmittelknappheit. Aufgrund der Aufforderung, bei der Evakuierung der Stadt keinerlei Ressourcen zurückzulassen, gab es vom Beginn der Blockade an nur Vorräte für zirka einen Monat. Infolgedessen kam es zu Lebensmittelrationierungen und damit auch zur Einführung von Lebensmittelkarten. Die andauernde Lebensmittelknappheit hatte zur Folge, dass das sogenannte Blockadebrot, welches heute noch ein Symbol für die Blockadezeit ist, mit unterschiedlichen Mitteln wie Sägespänen oder Zellulose gestreckt wurde; alles Organische wurde irgendwie als Nahrung verwendet. Hierzu zählten unter anderem Tischlerleim, Gras oder auch Leder, welches ausgekocht wurde. Auch die Geschichte eines Zeitzeugen, welcher berichtete, heute noch nervös zu werden, wenn kein Brot mehr im Haus ist, zeigt, wie schlimm die damalige Situation gewesen sein muss. Die Not der Menschen wird auch daran deutlich, dass selbst Mehlsäcke, die während des Transports im See versunken waren, geborgen, getrocknet, erneut gemahlen und dann für die Lebensmittelproduktion verwendet wurden.
Neben der Verwertung aller verfügbaren Materialen zu Lebensmitteln gewannen vor allem Märkte an Bedeutung. Um zusätzliche Lebensmittel zu bekommen, wurden allerlei Dinge von Wert eingetauscht. So wurden beispielsweise handgefertigte Produkte wie Kleidungsstücke auf den Märkten verkauft oder eingetauscht, um ein wenig mehr Nahrungsmittel zu haben, da die zugeteilte Menge von 250 Gramm Brot pro Tag nicht ausreichte, um überleben zu können.
Lebensmitteltransporte kamen, wenn überhaupt, über die „Straße des Lebens“, welche über den Ladogasee führte. Hierzu wurden 1,5-Tonner verwendet, welche man allerdings mit maximal einer Tonne beladen konnte, damit sie im Winter noch vom Eis getragen wurden. Der Weg über den Ladogasee steht in sehr engem Zusammenhang mit der Leningrader Blockade, da dieser auch zur Evakuierung der Kinder aus der Stadt genutzt wurde. Diese war mit vielen Tränen verbunden, da Familien einfach auseinandergerissen wurden. So erzählten Zeitzeugen der „Gesellschaft für Waisenkinder der Blockadezeit“, wie sie im Kindesalter auf diesem Weg in unterschiedliche Gebiete evakuiert wurden. Der Weg über den Ladogasee war aber extrem gefährlich, da er aus der Luft leicht zu überblicken war, was auch die damalige Bezeichnung als „Straße des Todes“ zeigt. Folglich kam es zu vielen verheerenden Luftangriffen auf die Lebensmittel- und Evakuierungstransporte; um dem entgegenzuwirken, wurden in regelmäßigen Abständen Abwehrraketen aufgestellt.
In Verbindung mit Hunger und Nahrung stehen hier auch oft Katzen. Grund hierfür ist, dass die Menschen zunächst Hunde und Katzen verzehrten, da einfach nichts zu essen da war. Das hatte aber verheerende Folgen, da sich die Ratten ausbreiteten. Da viele Grünflächen wie beispielsweise der Sommergarten zu Gemüsegärten umfunktioniert worden waren, drohten die Ratten die Ernte zu zerstören. Um das zu verhindern, wurde veranlasst, dass Katzen in die Stadt gebracht werden. Zum Glück konnte so das Problem mit den Ratten gelöst werden und die selbst angebauten Nahrungsmittel waren vorerst geschützt.
Weiterhin stehen auch die Scherben zerbrochener Fenster für die Blockadezeit. Das rührt daher, dass viele Fenster aufgrund der Luftangriffe auf die Stadt zerbrachen. Um der Kälte wenigsten ein bisschen entgegenzuwirken, wurden kleine Kanonenöfen mit Brennholz befeuert, was aber einfach nicht reichte. Auch der Schulunterricht während der Leningrader Blockade dauerte oft nicht mal eine Stunde, da die Kälte so unerträglich war. Besonders der erste Winter begann sehr früh und forderte durch die anhaltende Kälte viele Opfer.
Auch heute noch kann man die Lautsprecher von damals an bestimmten Orten in der Innenstadt sehen, wie wir auf einer Stadtrallye zum Thema „Leningrader Blockade“ herausfanden. Diese wurden als Mahnmale an die schreckliche Zeit belassen. Über die Lautsprecher wurde die Bevölkerung mit Sirenen vor Luftangriffen gewarnt. Obwohl die Elektrizität schon früh eingestellt wurde, war es verboten, die Lautsprecher abzustellen. Im Zuge dessen wird oft auch das Metronom genannt. Dieses alarmierte die Bevölkerung bei Luftangriffen, indem es schneller als gewöhnlich schlug. Die Übertragung fand über das Radio statt, welches 24/7 laufen sollte.
Die heutige Bezeichnung der Stadt als „Venedig des Nordens“ lässt schon richtig vermuten, dass es innerhalb der Stadt viele Kanäle und Flüsse gibt. In der Blockadezeit wurden diese als Wasserlieferanten genutzt. Dazu schlug man große Löcher in das Eis. Das Wasser wurde in alle auffindbaren Behältnisse abgefüllt. Damit kein Tropfen verschwendet wurde, wartete man bis das Wasser in den Behältern gefroren war und brachte es dann auf Schlitten nach Hause. Auf den alten Fotografien, die wir gezeigt bekamen, konnte man sehen, dass oftmals Kinder beim Wassertransport halfen. Im Allgemeinen war es so, dass Kinder genauso hart arbeiten mussten wie Erwachsene.
Auch der Schlitten ist ein Symbol der Belagerungszeit des heutigen St. Petersburg. Er wurde für alle Arten von Transporten genutzt. Besonders aber der Transport von in Bettlaken gehüllten Verstorbenen ist damit verbunden. Aufgrund der hohen Mortalitätsrate gab es auch viele Massengräber. Das Symbol des Kinderschlittens zeigt, dass alle zur Verfügung stehenden Mittel und Gegenstände umfunktioniert, verwertet oder genutzt wurden.
Zum Schluss möchte ich noch auf das Logo des Pilotprojekts „Humanitäre Geste“ aufmerksam machen. Hier ist ein Vogel zu sehen, welchen ich fälschlicherweise zunächst für eine Taube, als Zeichen des Friedens, missverstand. Wie auch bei Treffen mit anderen Gruppen deutlich wurde, gab es viele Vermutungen, allerdings wusste niemand genau, was es mit dem Logo auf sich hat. Auch in diesem Fall wird ein Bezug zur Blockadezeit hergestellt. Der Vogel stellt eine Schwalbe dar, welche eindeutig die Zeit der Leningrader Blockade symbolisiert. Ein sehr bekanntes Gedicht von Olga Bergholz ist der Grund dafür. Auch der Kreis hat eine ganz konkrete Bedeutung. Er stellt den zerbrochenen Blockadering dar. Es steckt also mehr hinter dem Logo, als man zunächst vielleicht vermutet.”