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Mit den Augen Tatjana Glebowas: Kunst in der Blockadezeit

Mit den Augen Tatjana Glebowas: Kunst in der Blockadezeit

Wir setzen unsere Reihe über Künstler der Blockadezeit fort: Dieses Mal berichten wir über Tatjana Nikolajewna Glebowa.

Die Künstlerin wurde im Jahr 1900 in Petersburg geboren. Mit 18 Jahren zog sie mit ihrer Familie in das Gouvernement Jaroslawl, wo sie Musikunterricht nahm. Nach der Rückkehr in ihre Heimatstadt begann sie ein Studium am Konservatorium, brach es jedoch nach einem Jahr ab und betätigte sich fortan als Künstlerin in der Staatlichen Lomonossow-Porzellanfabrik. Im Jahr 1925 wurde sie Schülerin bei P.N. Filonow.

Tatjana Glebowa arbeitete auch in der Buchgrafik; sie kooperierte mit verschiedenen Verlagen. Im Jahr 1931 übernahm sie die künstlerische Gestaltung von Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ für das Kleine Opern- und Balletttheater Leningrad1 und arbeitete bis 1943 als Künstlerin für Theater und Film.

Den ersten Blockadewinter verbrachte Glebowa im belagerten Leningrad. Ihre erhalten gebliebenen Erinnerungen sind jetzt auf der Website des Projekts „Proschito“ zu finden. Interessanterweise bestehen ihre Tagebücher nicht nur aus Text, sondern auch aus einer Vielzahl von Zeichnungen, welche die Wirklichkeit der Blockade widerspiegeln.
Im Sommer 1942 wurde die Künstlerin nach Alma-Ata evakuiert, doch Ende 1945 kehrte sie nach Leningrad zurück.

Im Schaffen Tatjana Glebowas können drei thematische Hauptrichtungen herausgehoben werden: Zum einen sind das Stilleben mit Alltagsszenen, zum anderen Porträts. Die dritte Richtung bildet die religiös-philosophische Thematik. Nach dem Krieg beschäftigte sich die Künstlerin häufig mit der Natur sowie Landschaftsmalerei.

Auf der Website des Virtuellen Russischen Museums werden zwei Bilder aus dem Jahr 1942 gezeigt, die von Glebowa stammen.

Hier sind einige Zitate aus dem Blockadetagebuch der Künstlerin, wo sie über die Kraft und Bedeutung der Kunst schreibt:

Die Kunst hat solch tiefe Wurzeln in mir geschlagen, dass sie mir zur zweiten Natur geworden ist, und jedwede Frage im Leben löse ich durch ihr Prisma, im Abgleich mit den Fähigkeiten und Erfahrungen, die ich aus ihr geschöpft habe. Leningrad ist gut, die Stadt ist wie Musik: Ja, das war vor dem 8. September; die Stadt war unversehrt und wunderschön, und ringsum erstarrte alles wie vor einem Gewitter. Doch dann begann es, dann brachen diese schrecklichen Geräusche herein, die mehrstöckigen Häuser gerieten ins Wanken und fielen in sich zusammen. Nun ist es furchterregend, es ist schon keine Musik mehr, sondern ein fürchterliches Getöse, vor dessen Hintergrund der Hunger durchdringt und sein Liedchen singt. […] In solchen Minuten äußerst weiser Stille ist es angenehm, zu malen oder etwas besonders Gutes zu lesen, etwa Marcel Proust, um die wahre Kunst zu fühlen, die nicht durch äußere und der Kunst fremde Aufgaben vergiftet ist …

1941

Meine Seele ist um dieses Wissen reicher geworden. Ich habe mir vorgenommen, ein großes Bild zu machen: „Die belagerte Stadt“. Ich werde malen … mit ganzer Seele, ehrlich und ohne mich in meinen Möglichkeiten einzuschränken

14. November 1941

Glebowa hinterließ viele Einträge über Theorie und Praxis der Kunst. Sie glaubte an ihre „magische Kraft“ und schrieb, dass Kunstwerke Seelen retten können.
Sie vermerkte:

Das Leben überfällt den Menschen und überhäuft ihn mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten, sodass er die Reinheit und das Lakonische seiner kindlichen Wahrnehmung verliert. Doch wenn dieser Mensch ein geborener Künstler ist, dann widersteht er allen Schwierigkeiten und holt sich mithilfe des Durchlaufens der darstellenden Disziplin und des Studiums der Vergangenheit in der Kunst die Reinheit und Direktheit der Wahrnehmung zurück, doch bereits um geistige Erfahrung reicher geworden, denn die Arbeit, die wir Künstler machen, ist eine geistige Arbeit.

Aus dem Einführungstext zum Ausstellungskatalog

1 Heute das Michailowski-Theater.


Quellen:

Website des Projekt „Proschito“

Website des Museums für die Kunst des 20. und 21 Jahrhunderts

Website des Projekts „Ein Haus im Querschnitt“ vom Kunstmuseum Jaroslawl

Artikel über Tatjana Glebowa im Online-Magazin „Markante Kunst“