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Am Mikrofon: Maria Petrowa

Am Mikrofon: Maria Petrowa

Das Radio spielte im belagerten Leningrad eine besondere Rolle: Es spann einen unsichtbaren Faden, der Leningrad mit dem „Großen Land“ verband. Auf diese Weise konnten die Menschen nicht nur wichtige Informationen erhalten, sondern sich auch von ihrem harten Alltag ablenken. Die Stimmen der Sprecher in der belagerten Stadt – Olga Bergholz, Jelena Wetschtomowa, Wsewolod Wischnewski, Nina Fjorodowa u.v.a. – wurden zu einem Symbol der Hoffnung und des Glaubens an eine friedliche Zukunft.

Im heutigen Bericht geht es um die Schauspielerin Maria Grigorjewna Petrowa, Volkskünstlerin der RSFSR, Regisseurin und Sprecherin im Leningrader Haus des Radios.
Ihre Stimme hatte eine sehr seltene Klangfarbe, die sich durch ihre Ausdrucksstärke und Klarheit auszeichnete. Wenn sie das Märchen „Teremok“ (russ. „Das kleine Häuschen“) vortrug, dann schien es, als würden mehrere Personen mitspielen, so gekonnt intonierte sie die Charaktere der verschiedenen Figuren.

Maria Petrowa wurde 1906 in Sankt Petersburg geboren. Sie studierte am Leningrader Theaterinstitut. Nach dem Studium arbeitete sie am Leningrader Theater für junge Zuschauer, aber auch beim Leningrader Rundfunk, wo sie Sendungen für Kinder moderierte. Dort war sie 56 Jahre lang beschäftigt.

Wir haben schon häufig erwähnt, dass das kulturelle Leben während der Blockade nicht zum Erliegen kam. Es gab Theateraufführungen und Bücher wurden gedruckt, wie beispielsweise Konstantin Simonows Stück „Russische Menschen“. Als es im Radio aufgeführt wurde, übernahm Maria Petrowa eine der Rollen.
Gemeinsam mit den in der Stadt verbliebenen Künstlern der Theater und des Rundfunkkomitees zählte sie zur Truppe des Städtischen Dramentheaters, das auch als „Blockadetheater bezeichnet wird“.
Dies war ein wahrhaft einzigartiger Fall: Das Theater entstand unter schwierigsten Bedingungen, aber die Schauspieler fanden dennoch die Kraft, sich zusammenzutun und auf die Bühne hinauszutreten. Zu sehen waren Stücke über den Krieg, Komödien, aber auch Opern und Ballettaufführungen. Heute ist dies das „V.-F.-Kommissarschewskaja-Theater“.

Im Radio verlas Maria Petrowa Gedichte und Prosa, Berichte des Sowjetischen Informationsbüros sowie Briefe von der Front. Ihre Zeitgenossen schrieben, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene ungeduldig auf die Sendungen mit Petrowa warteten: Man liebte ihre Figuren und ließ sich von ihnen inspirieren.

In unserer Online-Bibliothek gibt es einen Artikel, der im Rahmen des Kultur- und Bildungsprojekts „Blockade-Hochzeiten“ verfasst wurde. Darin werden die Geschichten von Menschen erzählt, die sich dazu entschieden, im belagerten Leningrad zu heiraten. Falls ihr diesen Artikel bereits gelesen habt, so ist euch der Name unserer heutigen Protagonistin bereits ein Begriff.
Maria Petrowa lernte ihren Ehemann – den Künstler Jaroslaw Nikolajew – im belagerten Leningrad kennen. Er hatte die Stimme der Schauspielerin im Radio gehört und beschlossen, dass er sie auf jeden Fall persönlich treffen wolle. So kam es auch: Eines seiner Porträts von Maria Petrowa ist in der Kollektion des Virtuellen Russischen Museums zu sehen.

Die Hochzeit fand am 2. Mai 1943 statt. Nach dem Standesamt ging das Paar in Richtung des Künstlerverbandes. Jaroslaw Nikolajews Kollegen hatten eine festliche Tafel vorbereitet, um das Ereignis zu feiern. Doch welch Wunder: Woher kamen nur die vielen Speisen auf dem Tisch? Dann begriffen die beiden, dass alle Speisen von den Künstlern mit Ölfarben aufgemalt worden waren. Doch in der Mitte des Tisches stand ein kleines Tellerchen mit echtem Leningrader Brot.
Die Ehe war glücklich: Das Paar lebte 35 Jahre lang zusammen.

Nach dem Krieg war Maria Petrowa nicht nur als Schauspielerin, sondern auch als Regisseurin tätig, wobei sie mit jungen Schauspielkollegen arbeitete. Außerdem trug sie weiterhin Märchen für Kinder vor.

In seinem Buch „Leningrader Legenden“ schrieb Juri Aljanski Folgendes über Maria Petrowa:

… sie lebte in den engen Wänden des Rundfunkstudios und verwandelte es in eine grenzenlose Welt von Kinderbuchhelden, in ein Universum der kindlichen Fantasie. Und sie gehörte zu denjenigen, die Unterhaltungssendungen für Kinder und Jugendliche schufen.

Maria Petrowa selbst sagte bei einer Ansprache an ihre jungen Zuhörer:

In all den langen Jahren meiner Arbeit beim Radio – an gewöhnlichen Tagen, an Feiertagen und auch in den schweren Tagen der Blockade – war es jedes Mal so: Wenn ich mich ans Mikrofon setze, denke ich immer daran, wie ich den Kindern helfen kann, mutiger und stärker zu werden und wie ich die besten Saiten ihrer Seelen zum Klingen bringen kann.


Quellen:

Interview mit Maria Petrowas Tochter auf der Website „Radioportal“

„Am Mikrofon: M.G. Petrowa. Blockade 1942“ auf der Website des Virtuellen Russischen Museums (Bild von J.N. Tulin)

Artikel über das „V.-F.-Kommissarschewskaja-Theater“ auf der Website des Online-Journals „Totschka ART“