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80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion

80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion

“Nun, der 22. Juni 1941 war unvergesslich! Wir, drei Kinder und ihre Großmutter, fahren zu einer gemieteten Datsche in Wyriza. Ich bin elf Jahre alt. Das Wetter ist klar und sonnig, die Stimmung ebenso. Ferien! Datsche! Man muss nicht in die Schule gehen, sondern kann rennen, spielen, schwimmen und singen! Wir sind frei und glücklich. Und dann entsteht Lärm im Zug. Die Leute diskutieren aufgeregt. Die Gesichter sind alarmiert. Es heißt: “Der Krieg hat begonnen!” Wir Kinder nahmen diese Nachricht wie ein interessantes Abenteuer auf. […] “Die Rüstungen sind stark, unsere Panzer schnell – und unsere Menschen sind voller Mut”, so sangen wir in der Schule und lernten fleißig Deutsch. Die Deutschen waren unsere Freunde.

Dazwischen entwickelten sich die Ereignisse rasch. Die Realität ließ keinen Raum für gütige Träumereien und Hoffnungen.”

Ninel Alexejewna Nesterowa

Vor 80 Jahren, am 22. Juni 1941, überfiel das Deutsche Reich ohne vorherige Kriegserklärung die Sowjetunion. Das Ziel der Nationalsozialisten war es, hier wie schon zuvor in Polen oder Frankreich einen Blitzsieg zu erreichen.

Unter dem Decknamen “Unternehmen Barbarossa” (eine Anspielung auf Kaiser Friedrich I. Barbarossa, der einen Kreuzzug gegen die Stadt Jerusalem befehligt hatte) war der Angriff von Hitler und der Führung der Wehrmacht von langer Hand geplant worden. Er unterlag jedoch strenger Geheimhaltung, um die Sowjetunion so lange wie möglich in trügerischer Sicherheit zu wiegen.

Der Krieg gegen die Sowjetunion – von Hitler zu einem “Weltanschauungskrieg” stilisiert – gehörte zum ideologischen Kernprogramm der Nationalsozialisten, die Kommunismus und Judentum zu ihren Hauptgegnern erklärt hatten. Im Sinne der nationalsozialistischen Propaganda sollte auf dem Territorium der Sowjetunion “Lebensraum” für die “arische” Bevölkerung gewonnen werden. Die eroberten Gebiete sollten wirtschaftlich ausgebeutet, ihre Bewohner/-innen versklavt, vertrieben oder getötet werden. Dementsprechend führte die Wehrmacht in der Sowjetunion einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg, der insbesondere durch ein brutales Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung gekennzeichnet war.

Die deutsche Offensive begann in den frühen Morgenstunden des 22. Juni 1941. Im Nachhinein betrachtet könnte man meinen, das Datum sei eine Ironie des Schicksals, denn auch Napoleon hatte 1812 seinen (erfolglosen!) Russlandfeldzug an einem 22. Juni verkündet. Kurz nach 4 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit übergab der deutsche Außenminister Ribbentropp dem sowjetischen Botschafter Dekanosow eine Note, in der auf Befehl Hitlers das Wort “Kriegserklärung” nicht erscheinen durfte. Stattdessen rechtfertigte die deutsche Seite ihren Überfall als Präventivschlag gegen eine unmittelbare von der Sowjetunion ausgehende Bedrohung. Zu diesem Zeitpunkt warfen deutsche Flugzeuge bereits seit mehreren Stunden Bomben auf sowjetische Städte ab.

Zunächst verlief das “Unternehmen Barbarossa” aus Sicht der Wehrmacht äußerst erfolgreich. Innerhalb weniger Wochen können die Deutschen zahlreiche Städte einnehmen, rücken bis auf wenige hundert Kilometer an Moskau heran und schließen den Belagerungsring um Leningrad. Die Rote Armee hingegen erleidet hohe Verluste. Dann jedoch gerät der deutsche Angriff ins Stocken – der erwartete Blitzsieg bleibt aus. Im Gegenteil, das Schicksal der deutschen Armee beginnt sich zu wenden: Die geplante Einnahme von Moskau scheitert, unter anderem auch deshalb, weil ein großer Teil der deutschen Truppen durch die fortdauernde Blockade Leningrads gebunden bleibt. Die Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad im Winter 1942/43 bringt die endgültige Wende: Ab diesem Moment treibt die Rote Armee die Deutschen kontinuierlich nach Westen zurück. Mit der Einnahme Berlins und der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 endet nicht nur der Deutsch-Sowjetische Krieg, sondern auch der Zweite Weltkrieg in Europa.

Im Gedenken an die bis zu 27 Millionen Menschenleben, die dieser Krieg auf sowjetischer Seite gefordert hat, wird der 22. Juni im heutigen Russland als “Tag der Erinnerung und der Trauer” begangen. Neben offiziellen Gedenkveranstaltungen finden an diesem Tag auch zivilgesellschaftliche Aktionen statt, wie etwa die “Kerze des Gedenkens”. Dabei handelt es sich um ein Format, bei dem die Russinnen und Russen am Abend des 22. Juni eine Kerze anzünden, um an die Opfer des Krieges zu erinnern.

In Deutschland dagegen findet der 22. Juni – obwohl ein Tag der Weltgeschichte – bis heute kaum gesellschaftliche oder politische Beachtung. Wie es Matthias Platzeck, der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident und jetzige Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums formuliert, ist es vielmehr ein Tag, der “weiße Flecken in der eigenen Gedenkkultur” offenbart.


Quellen:

Artikel “22. Juni 1941: Beginn des “Unternehmens Barbarossa”. Bundeszentrale für politische Bildung.

Artikel “Überfall auf die Sowjetunion”. Bundeszentrale für politische Bildung.

Artikel “Der Überfall auf die Sowjetunion”. Lebendiges Museum Online.