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Freiwilligenprogramm der “Humanitären Geste”. Eindrücke der Teilnehmenden und das Geheimnis unseres Erfolgs

Freiwilligenprogramm der “Humanitären Geste”. Eindrücke der Teilnehmenden und das Geheimnis unseres Erfolgs

Aufmerksame Leser/-innen unseres Blogs wissen, aus welchen Teilen das Freiwilligenprogramm im Herbst 2020 bestand: aus Unterrichtseinheiten zur Geschichte, Treffen mit Blockadeüberlebenden, Seminaren zur interkulturellen Kommunikation, Treffen mit Historiker/-innen, informellem Austausch, Exkursionen, Sprachkursen und der Ausarbeitung von eigenen Projekten. Alles zum Start des Freiwilligenprogramms im Oktober 2020 lest ihr hier, einen Überblick über die Schlüsselereignisse der letzten Monate findet ihr in diesem Artikel.

Darüber, was den unerwarteten Erfolg unseres experimentellen Freiwilligenprogramms der Humanitären Geste im Online-Format bewirkt hat, berichten die Teilnehmer/-innen am besten selbst.

Die Freiwilligen des Projekts Humanitäre Geste gemeinsam mit den Koordinatorinnen und Blockadeüberlebenden bei der Neujahrsfeier während der letzten Tage des Freiwilligenprogramms.

“Der Freiwilligendienst der “Humanitären Geste” ist insofern einzigartig, dass sein Ziel nicht nur darin besteht, auf der historischen Wissenschaft “herumzunagen”, sondern ebenso darin, einen bilateralen deutsch-russischen Dialog aufzubauen. Seminare zur interkulturellen Kommunikation, Theaterwerkstätten (live und virtuell), Rallyes, interkulturelle Frage- und Antwortspiele, gemeinsame kulinarische Abende, Sprachtandems – man könnte noch unendlich viele dieser Momente aufzählen. Eben diese Momente schufen eine wahrhaft einmalige Atmosphäre des Vertrauens und gegenseitigen Verständnisses unter den Teilnehmenden des Programms. […] Ja, diese drei Monate waren nicht immer leicht, denn sie waren auch voller Anspannung, forderten vollständige Eingebundenheit und Selbstaufgabe. Gleichzeitig waren es aber auch unvergessliche Monate mit überraschenden und beeindruckenden Emotionen, die eine tiefe Spur im Bewusstsein hinterlassen haben.”

Viktoria Beresjuk.

“Für mich war das Projekt so vieles. Vor allem aber bot es mir die Möglichkeit, Erfahrungen zu machen, die mir sonst verwehrt geblieben wären. Ich meine, wer kann schon behaupten, persönlich mit Blockadeüberlebenden gesprochen zu haben – und das auf Russisch. In meinem Leben habe ich schon ein wenig über die Geschichte lernen dürfen. Im Unterricht, in Vorlesungen und auch durch Bücher oder Filme, aber noch nie habe ich so direkte und persönliche Einblicke erhalten wie durch die Zeitzeugen. Die Geschichte besteht eben nicht nur aus Fakten und Zahlen oder fantasievollen Mythen, sie besteht zu einem Großteil, so glaube ich zumindest, aus ganz „normalen“ Personen und deren Erfahrungen.”

Luis Gies

Die Überraschung darüber, dass die Zoom-Treffen von einer warmen Atmosphäre des gegenseitigen Interesses, des offenen Dialogs sowie der Freude beherrscht wurden, zieht sich als roter Faden durch die Eindrücke der Freiwilligen. Sollten wir etwa den Schlüssel zum Erfolg gefunden haben?

“Nachdem mein Vorstellungsgespräch erfolgreich verlaufen war und für mich feststand, dass ich am Freiwilligenprojekt teilnehmen würde, mischten sich Begeisterung und Skepsis in Bezug auf die wertvollen Erfahrungen, die ich in der nächsten Zeit machen würde und das Online-Format, das dem Ablauf womöglich einige virtuelle Steine in den Weg legen könnte … Als es dann im Oktober endlich losging, waren meine Zweifel sofort beseitigt. Das große Kennenlernen via Zoom lief nicht nur technisch reibungslos, sondern auch offen und kommunikativ ab. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nur die etwas statischen und verhaltenen Diskussionen in den Seminaren an der Uni erlebt. Ich war überrascht, wie viele Interessent/-innen es auf russischer und deutscher Seite gab, um das Gedächtnis an die Leningrader Blockade aufrecht zu halten.

In den darauffolgenden Wochen und Monaten haben wir wirklich tolle Gespräche untereinander führen können und wurden auch immer wieder ermutigt, aktiv an den Kursen teilzunehmen und in Kleingruppen zu diskutieren oder ein kleines Theaterstück aufzuführen, das trotz der technischen Gegebenheiten einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Die Kleingruppen haben mit unterschiedlichsten Herangehensweisen und einer Menge Kreativität zu einem wirklich abwechslungsreichen Abend beigetragen, der zu Beginn so nicht zu erwarten war.”

Lukas Kersting

“Die Zeit des Projekts ging dabei viel schneller um, als ich jemals gedacht hätte. Von Tag eins an fühlte ich mich im Kreis der neuen Menschen willkommen. Dieses Gefühl wurde durch das Auftakttreffen in Berlin aufgebaut und gestärkt. Durch gemeinsame Spiele und die ersten Einweisungen in das Programm kam ein erster Teamgedanke auf. Zusammen wurden in der Folge kleine Wochenaufgaben gelöst – wodurch auch die Verbindung zu den russischen Teilnehmerinnen aufgebaut werden konnte. Zusammen Aufträge zu lösen und darüber nachzudenken, was zu den besten Ergebnissen führt, erwies sich als spannende Aufgabe. Jeder konnte dabei das tun, was er am besten kann, und konnte auch andere Fähigkeiten gewinnbringend verbessern. Neben den Menschen hatte ich auch in den vielen anderen Teilen des Projekts viel Spaß – angefangen vom dreimal wöchentlichen Sprachunterricht über die Geschichtsstunden bis hin zu den Stunden zu den Themen Interkulturelle Kommunikation und den Umgang mit Senioren.”

Frederik Urban

“Diese drei Monate waren einfach unvergesslich. Mein ganzes Leben drehte sich in dieser Zeit um das Freiwilligenprogramm. Und das machte mir riesigen Spaß. Vor allem freue ich mich über das Gefühl, dass ich die Zeit mit viel Gewinn und Freude auch außerhalb meines Studiums verbracht und viele aufgeschlossene und freundliche Menschen kennengelernt habe. Während der Arbeit in verschiedenen Teams konnte ich auch tatsächlich mit allen ins Gespräch kommen. Ich denke, die Teamarbeit in mehreren Gruppen hat mir gezeigt, wie gleichgesinnt wir Freiwilligen doch sind. Das steigerte nicht nur meine Motivation, sondern auch meine Laune während des Freiwilligenprogramms. An den Tagen der Treffen fiel der alltägliche Stress von mir ab. Ich fühlte mich sehr wohl in unserem schönen Team und konnte mich in dieser Atmosphäre auch gut auf das Thema zu konzentrieren. Es ist echt schade, dass diese Periode schon vorbei ist.”

Maria Senitschewa

Danke an euch für eure warmen Rückmeldungen, die ihr uns in den letzten Wochen zugeschickt habt! Mit welcher Begeisterung wir dieses Freiwilligenprogramm auch vorbereitet haben, den größten Teil daran leisten doch die Teilnehmenden selbst. Habt Dank für eure Bereitschaft, euch mit uns auf neue Themen und Formate einzulassen. Habt Dank für eure Bereitschaft, in ernsthafte Themen einzutauchen. Habt Dank für euer Interesse an der Geschichte. Ich bin stolz darauf, dass die Zukunft unserer Länder bei denen liegt, die sich für die Vergangenheit unserer Länder begeistern, die Lehren aus der Geschichte ziehen und schon während der Studienbank begannen, ihren Beitrag zur Stärkung der internationalen Beziehungen zu leisten.

Wir können nicht alle Eindrücke unserer Freiwilligen gleichzeitig veröffentlichen. Dafür aber können wir schon jetzt sagen, dass das Online-Format für das Freiwilligenprogramm nicht nur nicht beängstigend ist, sondern sogar eine Vielzahl von Vorteilen bietet: Geschichte kennenlernen, sich mit Historiker/-innen austauschen, das Gelernte mit Gleichaltrigen aus Deutschland und Russland und sogar mit Zeitzeugen besprechen – all das kann man ohne sein Studium zu unterbrechen, direkt von zu Hause aus.

Mit gleichbleibender Inspiration und Liebe zu unserer Arbeit beginnen wir mit der Vorbereitung des Frühjahrsprogramms. Wir laden euch ein, ein Teil davon zu werden! Informationen zu den Daten sowie das Anmeldeformular findet ihr hier.

Lasst uns diesen Artikel mit den Worten einer unserer Teilnehmerinnen beenden:

“Dass der Wert von Projekten wie dem der Humanitären Geste nicht messbar ist, muss ich hier nicht explizit erläutern. Für mich war es eine absolute Bereicherung, ein Teil davon gewesen zu sein und ich bin sehr dankbar dafür, die Chance bekommen zu haben, mich mit Zeitzeug/-innen der Leningrader Blockade auszutauschen. Wenn die Vergangenheit in der Gegenwart schwindet – wie es zunehmend der Fall ist –, sehe ich es als unsere Pflicht an, uns die Geschichte in Erinnerung zu rufen. Die Ansichten und Auswirkungen der Kriegsverbrechen zu Zeiten des Nationalsozialismus sind bedauerlicherweise bis heute ein Bestandteil unserer Gesellschaft. Nur durch Sichtbarkeit und den Willen junger Menschen, sich mit diesen Thematiken auch weiterhin auseinanderzusetzen, kann verhindert werden, dass sich solche Gräueltaten wiederholen.”

Laura Höner