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Das Russische Museum während der Blockade

Das Russische Museum während der Blockade

In einem früheren Artikel haben wir über das Schicksal der Eremitage in den Jahren der Blockade berichtet. Heute widmen wir uns der Geschichte des Russischen Museums.
Sein Hauptgebäude – der Michaelspalast – und der daran angrenzende Benois-Flügel1 befinden sich am Platz der Künste, ganz in der Nähe der Philharmonie, des Theaters der musikalischen Komödie und des Ethnografischen Museums.
Der Palast wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von dem Architekten Carlo Rossi für Michail Pawlowitsch, den jüngsten Sohn Kaiser Pauls I.2, errichtet und diente dem Großfürsten und dessen Familie lange Zeit als Residenz.
Auf Erlass Nr. 62 Nikolaus` II. („Über die Stiftung einer besonderen Einrichtung mit der Bezeichnung Russisches Museum des Kaisers Alexanders III.“) begannen im Jahr 1895 die Arbeiten zum Umbau des Palastes, der zu jenem Zeitpunkt bereits vom Staat als zukünftiges Museum erworben worden war. Diese Bezeichnung wurde deshalb gewählt, weil die Idee zur Gründung des landesweit ersten Museums für bildende russische Kunst von Alexander III. stammte. Im Jahr 1898 fand die feierliche Eröffnung statt. Die Grundlage der Ausstellung bildeten damals Kunstwerke, die aus anderen Palästen der Stadt oder aus privaten Sammlungen an das Museum übergeben worden waren.

In den ersten Kriegstagen begannen die Mitarbeiter des Russischen Museums, wie auch die Angestellten vieler anderer städtischer Museen, die Exponate zur Evakuierung vorzubereiten. Zuallererst wurden die kostbarsten Gegenstände verpackt. Ihnen stand der Weg in den Ural bevor. Nachdem sich der Belagerungsring um die Stadt geschlossen hatte, versteckten die Museumsangestellten die Exponate, die nicht rechtzeitig evakuiert werden konnten, in den Kellern des Palasts. An den Prozess der Vorbereitung der Kunstwerke für die Evakuierung erinnerte sich ein Mitarbeiter wie folgt:

Das Ausmaß der Arbeiten kann man sich anhand einiger Zahlen vorstellen. Allein die Anzahl der Gemälde, die von den Wänden genommen, aus den Rahmen herausgeholt, an neue Aufbewahrungsorte transportiert und für die Evakuierung vorbereitet wurden, betrug über siebeneinhalbtausend. Ungeachtet der Dringlichkeit musste diese Arbeit mit äußerster Vorsicht und Aufmerksamkeit geleistet werden. Die Unversehrtheit der Sachen musste in vollem Umfang gewährleistet werden, eine eventuelle Beschädigung konnte durch nichts gerechtfertigt werden.
Um solche riesigen Gemälde wie etwa Brjullows „Der letzte Tag von Pompeji“ oder Brunis „Kupferschlange“ von der Wand zu holen, waren die Anstrengungen mehrerer Dutzend Leute vonnöten. Und dabei gab es über sechzig solcher Kolosse.

P.K. Baltun (1981): Das Russische Museum. Evakuierung, Blockade, Wiederherstellung (aus den Erinnerungen eines Museumsmitarbeiters). Moskau. S. 25.

Auf das Museum wurden elf Spreng- und über einhundert Brandbomben abgeworfen, außerdem wurde es von über vierzig Artilleriegeschossen getroffen. Obwohl das Hauptgebäude nicht direkt getroffen wurde, fügten die Druckwellen dem Museum beträchtliche Schäden zu. Schon bei den ersten Luftangriffen gerieten die Heizung sowie die Wasser- und Stromversorgung des Museums außer Betrieb, zudem zersprangen die Fensterscheiben. Die Angestellten achteten auf den Zustand des Gebäudes und die Unversehrtheit der Kunstwerke. Fremde wurden nicht in das Gebäude gelassen.

Sofort nach der Aufhebung der Blockade begannen die Restaurierungsarbeiten am Museum. Im Oktober 1945 kehrten die ersten evakuierten Exponate zurück. Am 9. Mai 1946, dem ersten Jahrestag des Sieges, wurde im Museum die Ausstellung „Der Realismus in der russischen Kunst des 19. Jahrhunderts“.
So erinnerte sich P.K. Baltun, der während des Großen Vaterländischen Krieges im Russischen Museum den Posten des Direktors bekleidete, an diesen Moment:

Es besteht keine Notwendigkeit, zu sagen, welches Gefühl der Genugtuung wir verspürten! Zum ersten Mal seit fünf Jahren öffnete das Museum erneut seine Pforten. Denn im Grunde genommen war dies unser Rechenschaftsbericht gegenüber dem sowjetischen Volk: Die uns anvertrauten Meisterwerke der nationalen Kunst waren gerettet worden und erfreuen von Neuem die Herzen und Gefühle der Kunstliebhaber.

P.K. Baltun (1981): Das Russische Museum. Evakuierung, Blockade, Wiederherstellung (aus den Erinnerungen eines Museumsmitarbeiters). Moskau. S. 90.

Heute zählt die Sammlung des Museums mehr als 440 000 Exponate. Sie umfassen die russische Kunst vom 10. bis zum 21. Jahrhundert. Die Gesamtfläche des Museums beträgt mehr als 30 Hektar. Neben dem Michaelspalast (dem Hauptgebäude) hat das Russische Museum noch weitere Teile: das Michaelsschloss, den Benois-Flügel, den Stroganow-Palast, den Marmorpalast, den Sommergarten u.a.

In der Artikelserie „Die Leningrader in der Kunst“ haben wir häufig auf die Website des Virtuellen Russischen Museums verwiesen.
Dort findet sich auch die digitale Ausstellung „Möge Leningrad der Ehrenmaßstab sein“, die anlässlich des 75. Jahrestages der Aufhebung der Blockade erarbeitet wurde. Sie zeigt etwa 120 Kunstwerke aus der Sammlung des Museums ebenso wie Archivfotografien und Plakate.


1 Der Benois-Flügel wurde nach Leontij Nikolajewitsch Benois benannt, einem der Planer des Gebäudes.
2 Der Sohn von Katharina der Großen und Peter III.

Quellen:

Offizielle Website des Staatlichen Russischen Museums

P.K. Baltun (1981): Das Russische Museum. Evakuierung, Blockade, Wiederherstellung (aus den Erinnerungen eines Museumsmitarbeiters). Moskau.