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Alexej Fjodorowitsch Pachomow: der Blockadealltag im Auge des Künstlers

Alexej Fjodorowitsch Pachomow: der Blockadealltag im Auge des Künstlers

Wir setzen unsere Artikelserie über Künstler der Blockadezeit fort: Heute berichten wir über Alexej Fjodorowitsch Pachomow.

In einem Saal der Ausstellung „Malen wie ein Chronist“ im Museum für die Petersburger Avantgarde, die wir mit den Teilnehmern des Seminars „Erinnerung an die Blockade“ besucht haben, ist ein Porträt des Künstlers bei der Arbeit zu sehen: Er steht mit seiner Staffelei am Newski Prospekt. In seinen Memoiren vermerkt Pachomow allerdings, dass so etwas eher selten vorkam. Hauptsächlich malte er nach dem Gedächtnis und nicht nach der Natur.

Pachomow wurde im Jahr 1900 als Sohn einer Bauernfamilie im Gouvernement Wologda geboren. Seine Eltern unterstützten die bereits früh einsetzende Begeisterung ihres Sohnes für Malerei. Auch in der Person des Adligen W.J. Subow, eines großen Kunstliebhabers, fand er einen Förderer. Bei ihm zu Gast lernte der junge Alexej aus Büchern Reproduktionen von Gemälden berühmter Künstler kennen.
Später bestand Subow auf den Umzug des jungen Pachomow nach Petrograd sowie dessen Aufnahme an der A.-L.-Stieglitz-Lehranstalt für technisches Zeichnen.

Ende der 1920er hatte sich Alexej Fjodorowitsch bereits als Grafiker und Illustrator etabliert und seinen eigenen Stil sowie eine wiedererkennbare Handschrift erlangt, deren Grundlage Werke des russischen „Realismus“ bildeten: Motive der volkstümlichen Kultur, Traditionen und bäuerlicher Alltag, ländliche Natur usw.

Pachomow arbeitete beim „Kinderliteratur“-Verlag und auch für Kinderzeitschriften. Er verstand es meisterhaft, alle Freuden der „Kindheitswelt“ darzustellen und wiederzugeben: Seine jungen Protagonisten – Illusionisten, Träumer und Entdecker – begeistern durch ihre lauteren und wahrheitsgetreuen Züge. Sein Stil kommt dem der Avantgarde nah: In den Vordergrund treten die Farben Gelb, Rot und Braun.
Der Künstler illustrierte viele Werke der klassischen Literatur, beispielsweise von L.N. Tolstoj, I.S. Turgenjew, N.A. Nekrassow, I.A. Bunin u. a., doch die Stilistik der Bilder ist hierbei eine etwas andere: dynamische Linien, dünne Schraffierung, Individualisierung der Gestalt des Protagonisten, mit der Wiedergabe der ganzen Breite von Gefühlen und Emotionen.

Alexej Fjodorowitsch Pachomow erlebte die Blockade in Leningrad. In jener Zeit trat anstelle der Buchillustrationen die eigenständige Grafik in den Vordergrund. Besonders bekannt ist seine Serie von Lithografien über die belagerte Stadt: „Leningrad in den Tagen der Blockade und des Krieges“. Die Emotionen und Sorgen der Protagonisten werden genauestens wiedergegeben; die Mehrheit der Arbeit stellt Frauen und Kinder dar, wie es der damaligen Situation in der belagerten Stadt entsprach.Obwohl viele Arbeiten nach dem Gedächtnis geschaffen wurden, war die Authentizität der Ereignisse äußerst wichtig.
Der Künstler selbst schrieb dazu:

Bei der Arbeit an der Blockadeserie habe ich sehr wenige Skizzen anhand der Natur gemacht. Vor allem habe ich Dinge beobachtet und mir eingeprägt. Anfangs hatte ich keine Genehmigung zum Skizzenmachen, doch als ich die Genehmigung erhalten hatte, war es gar nicht so einfach, den Mut zum Zeichnen aufzubringen. Da sie in ihm einen Diversanten und Spion sahen, stürzte sich die Bevölkerung mit solcher Skepsis und solchem Zorn auf den Zeichnenden, dass sich das Zeichnen in ein pausenloses Erklären verwandelte. Ein Soldat trat hinzu und beruhigte die Misstrauischen, indem er erklärte, dass die Bescheinigung zum Skizzenmachen echt und nicht gefälscht sei. Doch der Soldat und die beruhigten Menschen gingen wieder und es kamen neue Passanten, und so musste man sich von Neuem erklären und wehren. Der Hauptgrund bestand aber natürlich nicht in diesen Schwierigkeiten. Die Ereignisse waren einfach derart bedeutsam, dass mir schien, sie sollten nicht in leichten Skizzen dargestellt werden, sondern in eher monumentaler Form (im Rahmen der grafischen Kunst): in einer großformatigen, gut verarbeiteten Estampe. […]
Durch Beobachtungen und Überlegungen entstand die eine oder andere Idee für eine Komposition und ich machte mich ohne vorherige Skizzen an deren Ausführung. Und während des Ausführungsprozesses wandte ich mich dann an die Natur, um die handelnden Personen und die Landschaft lebendig und überzeugend zu gestalten. […]
Ich wollte all das Neue abbilden, das der Krieg und die Blockade mit sich gebracht hatten.

Ausschnitt aus A. Pachomows Buch „Über meine Arbeit“ (Leningrad 1971), veröffentlicht in der Zeitschrift „Kinderliteratur“ (Nr. 5, 1975)

Zu dieser Periode gehört auch die Lithografie-Serie „In unserer Stadt“, die dem Wiederaufbau Leningrads in der Nachkriegszeit gewidmet ist. Diese Arbeiten sind lakonisch, doch gezeichnet von einer teilnahmsvollen Einstellung zur Stadt und zu den Menschen, welche die Wirklichkeit der Vorkriegszeit wiederherstellten. Auf der Website des Museums „Das bürgerliche Petersburg“ ist diese Serie zu sehen.
In unserer Online-Bibliothek findet ihr einen Text über die Ausstellung „Leningrader Erzählungen“ dieses Museums, wo ihr noch mehr über den Künstler erfahren könnt.


Quellen:

Artikel über Pachomow auf der Website „Kultur in der Oblast Wologda“

Abteilung für Estampe der Russischen Nationalbibliothek

Artikel über Pachomow auf der Website der Kinder- und Jugendbibliothek der Oblast Iwanowo