Sankt Petersburg – Petrograd – Leningrad
Unsere Einführungsseminare zur Leningrader Blockade beginnen normalerweise mit einem Überblick über die Namensgeschichte unserer Stadt: Nicht alle auswärtigen Teilnehmer/-innen sind sich im Klaren darüber, dass die Stadt seit ihrer Gründung ganze drei Mal umbenannt wurde. Heute widmen wir diesem Thema einen eigenen Artikel.
Als Gründungstag von Sankt Petersburg gilt gemeinhin der 27. Mai 1703 (nach dem julianischen Kalender der 16. Mai), denn an diesem Tag ließ Peter I. den Grundstein zum Bau der berühmten Peter-und-Paul-Festung legen. Oft wird angenommen, dass der Zar seine neu gegründete Stadt nach sich selbst benannte. Dem ist jedoch nicht so: Ganz zu Anfang hatte die Festung keinen Namen. In ihrem Zentrum wurde auf Geheiß Peters eine hölzerne Kirche errichtet, die den Aposteln Petrus und Paulus geweiht wurde. Dabei gab Peter auch der Festung ihren Namen: Sankt-Pieterburch – zu Ehren seines Schutzpatrons, des heiligen Petrus. Nach und nach wurde auch die Stadt, die um die Festung herum entstand, so genannt. Schon bald verbreitete sich auch die umgangssprachliche Variante „Piter“. Nach dem Tod Peters des Großen bürgerte sich die deutsche Namensform – Sankt Petersburg – ein, welche die Stadt knapp 200 Jahre lang trug.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam es zu einem Aufwallen der antideutschen Stimmung. Kaiser Nikolaus II. persönlich initiierte die „Russifizierung“ der Stadt und ordnete an, sie in Petrograd („Stadt Peters“) umzubenennen. Dies geschah am 31. August 1914 (18. August), einen guten Monat nach der deutschen Kriegserklärung an Russland. Der Name der Stadt war nun offensichtlich schon nicht mehr mit dem Apostel, sondern mit Kaiser Peter dem Großen selbst verbunden.
Zehn Jahre später, nach dem Tod Lenins, wurde die Stadt auf Antrag der Petrograder Parteiführung am 26. Januar 1924 in Leningrad („Stadt Lenins“) umbenannt. In der entsprechenden Anordnung wird herausgestrichen, dass dies auf Wunsch der trauernden Arbeiter geschehen sei. Unter eben diesem Namen überstand die Stadt die fast 900 Tage dauernde Blockade und ging damit als Symbol für Standhaftigkeit und Mut in die Geschichte ein.
Im Zuge der Perestroika und der beginnenden Auflösung der Sowjetunion wurden Rufe laut, der ehemaligen Hauptstadt des Russischen Kaiserreichs ihren früheren Namen wiederzugeben. Am 12. Juni 1991 wurde in der Stadt auf Initiative des Lensowjets ein entsprechendes Referendum abgehalten. Eine knappe Mehrheit (54%) der Befragten stimmte für die Rückbenennung der Stadt und so schloss sich gewissermaßen der Kreis: Am 6. September 1991 wurde Leningrad auf Anordnung des Obersten Sowjets der RSFSR wieder zu Sankt Petersburg.
Einige Orte erinnern allerdings auch jetzt noch an den früheren Namen der Stadt: Das umliegende Verwaltungsgebiet, die Oblast Leningrad, behielt seinen Namen und auch der Leningrader Zoo wurde nicht umbenannt – im Gedenken an die Tierpfleger, die während der Blockadezeit dort arbeiteten. Zudem trägt Sankt Petersburg bis heute den offiziellen Namenszusatz „Heldenstadt Leningrad“: Diesen Titel sehen Besucher/-innen der Nördlichen Hauptstadt beispielsweise am Flughafen Pulkowo und auf Schildern an den Zufahrtsstraßen zur Stadt.
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