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7-tägiger Workshop zum Thema „Leningrader Blockade“

7-tägiger Workshop zum Thema „Leningrader Blockade“.

Im Rahmen des Zeitzeugenprogramms beschäftigen sich die Teilnehmenden des journalistischen Freiwilligendienstes mit der Geschichte der Leningrader Blockade. Dabei besuchen sie die Veranstaltungen zum Thema Blockade, die im Rahmen der „Humanitären Geste“ organisiert werden, und leisten einen großen Beitrag zur medialen Aufbereitung der Programme.

Dieser Text wurde von Dominique Hausler ehrenamtlich geschrieben und beschreibt den Ablauf des Programms für die Gruppe des Mediencooperative Steinfurt e.V., die im Anfang November an unserem Projekt teilgenommen hat.

“Vom 7.11. bis 11.11. hatte ich als eine der Freiwilligen des journalistischen Praktikums die Möglichkeit, Veranstaltungen zusammen mit der Gruppe des Mediencooperative Steinfurt e.V. im Rahmen des Pilotprojekts „Humanitäre Geste“ zu besuchen. Unser doch recht straffes Programm begann am Montag, den 7.11. mit einem interaktiven Einführungsprogramm zur Leningrader Blockade. Dort trafen wir zum ersten Mal die Gruppe aus Steinfurt, mit welcher wir die kommenden Tage viel Zeit verbringen und uns intensiv mit dem Thema Blockade beschäftigen würden. Aufgeregt wurde natürlich sofort in Erfahrung gebracht, dass es sich hier um eine Jugendorganisation handelt, die schon einige Projekte in Zusammenarbeit mit dem drb durchgeführt hat.
Unser erster Programmpunkt begann, kaum dass wir einander kennengelernt hatten. Natalja, unsere Vortragende, referierte auf Russisch über die Geschichte der Blockade und eine Mitarbeiterin dolmetschte dazu für uns. Eine mehrsprachige Arbeitsweise ist am drb Alltag, wie ich später noch erkannte. Um ein authentisches Bild über die damalige Situation der Bevölkerung zu erhalten, wurden uns Fotografien aus der Blockadezeit gezeigt. Wie der Name der Veranstaltung schon vermuten lässt, wurde hier interaktiv gearbeitet, indem Fragen gestellt, Bilder beschrieben und Meinungen ausgetauscht wurden. Die Veranstaltung bot uns außerdem die Möglichkeit, uns direkt einzubringen. Dies geschah in Form von Gruppenarbeit, bei welcher unter anderem die Themen Poesie, Architektur und Sport intensiv beleuchtet wurden. Durch die Gruppenarbeit veranlasst wurde direkt diskutiert, ausgeschnitten, geklebt, die Plakatgestaltung besprochen und die anschließende Präsentation vorbereitet. Die Endresultate bestätigten nochmals, wie motiviert alle bei der Sache waren, und auch der Rest der Gruppe lauschte gespannt den Vorträgen der anderen.
Besonders berührend war die Geschichte des jungen Mädchens Tatjana Nikolajewna Sawitschewa, deren Tagebuch die Tragödie der Leningrader Blockade verdeutlicht. Sie notierte in ihrem Tagebuch ausschließlich die Tode von Familienmitgliedern und Freunden. Ihre Einträge schließen mit den erschütternden Sätzen: „Alle sind gestorben. Nur Tanja ist geblieben.“
Am Ende des Vortrages betonte Natalja nochmals am eigenen Beispiel die persönliche Verbundenheit der Bewohner St. Petersburgs mit dem Blockadethema. Zudem zeigte sich eine starke Verankerung der Thematik im kollektiven Gedächtnis, sichtbar durch die große Anzahl an Denkmälern. Das wurde auch durch die Stadtrallye deutlich, welche auf Denkmäler und Gebäude der Blockadezeit aufmerksam machte.
Angefangen mit dem Katharinenpalast widmeten wir uns am Wochenende der kulturellen Erkundung der Stadt. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten schafften es schlussendlich alle nach Puschkin und so konnte die Führung durch den imposanten Palast gemeinsam begangen werden. Von dem Prunk überwältigt, wurden direkt die Handys gezückt, um möglichst viele Fotos zu machen. Unsere Leiterin erklärte uns im Zuge der Führung, was alles nachgebaut und wofür die verschiedenen Räume genutzt wurden. Auch geschichtliches Wissen zu den porträtierten Persönlichkeiten auf den Gemälden des Palastes wurde an uns weitergegeben.
Am Sonntag, den 10.11. war die Stimmung bei einigen gedrückt, da ein Tanzkurs angesagt war. Umso erstaunlicher war es für mich, dass der Kurs kaum begonnen hatte, als schon alle voller Begeisterung bei der Sache waren und auch am Ende nur noch davon gesprochen wurde, wie toll der Tanzkurs doch war. Die Stimmung während des Kurses war wirklich sehr ausgelassen und durch das ständige Wechseln der Partner kam so richtig Schwung in den Laden. Munter wurde durch den Raum getanzt, Schritte nachgeahmt, geübt und erklärt.
Nach der sportlichen Betätigung ging es unmittelbar zum gemeinsamen Mittagessen und später zu einem weiteren informativen Vortrag, der sich mit Hochzeiten während der Leningrader Blockade beschäftigte. Dieser wurde von drei jungen Gymnasiastinnen gehalten. Auch die Präsentation begeisterte durch multimedialen Einsatz. Es wurden Informationen vorgetragen, Geschichten von Paaren erzählt und die Ergebnisse der Gespräche mit den Überlebenden präsentiert. Es hat mich sehr gefreut zu sehen, dass junge, ortsansässige Menschen so für das Thema Blockade brennen und einen Großteil ihrer Freizeit in Recherchen und den Austausch mit Zeitzeugen investieren.
Den krönenden Abschluss der gemeinsamen Woche bildete das Zeitzeugengespräch am Montag, den 11. November. Bevor das eigentliche Gespräch begann, bekamen wir zunächst ein kurzes Briefing. Dabei besprachen wir, wie das Gespräch ablaufen sollte, welche Erwartungen wir an das Gespräch haben und welche Themen für die Diskussionsrunde lohnenswert sind. Insgesamt besuchten uns sieben Zeitzeugen von der Gesellschaft der Waisenkinder der Blockadezeit. Die Organisation veranstaltet diverse Treffen mit Jugendlichen, damit über die damaligen Ereignisse berichtet werden kann. Alle sieben Blokadniki teilten ein ähnliches Schicksal. Sie wurden als Kinder aus Leningrad evakuiert und lebten dann weiter im Waisenhaus oder bei Adoptivfamilien.
Eine Dame, Sophia, erzählte unter Tränen ihre bewegende Geschichte. Durch den Krieg verlor sie ihre Mutter und ihr Vater wurde an die Front geschickt. Sie war damals als Vollwaise im Kindesalter über den Ladogasee evakuiert und von einer Familie adoptiert worden. Dort hatte sie sich sehr wohl gefühlt und wurde ein weiteres Mal aus ihrer Familie gerissen als ihr leiblicher, vermisst geglaubter Vater sie zu sich zurückholte. Ihre schmerzhafte Geschichte berührte mich tief.
Im Gegensatz zu Sophia erfuhr Alexej sein Schicksal erst später durch seinen Adoptivvater vor einer Operation an der Wirbelsäule. Er erklärte, dass das Wissen über seine Familiengeschichte ihm die Kraft gegeben hatte, nach der Operation weiterzumachen und seine Situation zum Besten zu wenden. Er war auch derjenige, der uns erzählte, dass er infolge der Lebensmittelknappheit während der Leningrader Blockade noch heute nervös wird, wenn das Brot zu Hause ausgeht.
Ein anderer Zeitzeuge, Viktor, berichtete ausführlich über den tragischen Tod seiner Mutter. Er hatte eines Morgens versucht, seine Mutter zu wecken, da er in den Kindergarten gehen musste, doch sie stand einfach nicht auf. Laut eigener Aussage war ihm bereits bewusst gewesen, was geschehen war, dennoch machte er sich weinend auf den Weg zum Kindergarten. Dort angekommen folgte die nächste Tragödie. Da er zu spät kam, gab es nichts mehr für ihn zu essen. Erst als sein Freund erklärte, warum sie zu spät kamen, wurde ihnen doch noch Essen angeboten und die Kindergärtnerinnen versuchten ihn zu beruhigen. Die Aussage von Viktors Freund verdeutlichte mir noch einmal die damalige Situation. Auf Viktors Aussage, dass seine Mutter gestorben ist, meinte der Freund nur: “Naja, meine Mutter ist schon lange tot.”
Irina war bereits 10 Jahre alt, als der Krieg ausbrach. Sie erzählte uns, dass sie ihr absolutes musikalisches Gehör durch die Bombardierungen verlor, wodurch ihr die angestrebte Zukunft als Musikerin verwehrt blieb. Aufgrund dessen hat sie in vielen verschiedenen anderen Bereichen gearbeitet.
Was mich wirklich erstaunt hat, war, dass alle Zeitzeugen überglücklich über unser Interesse an ihren Geschichten waren und auch beim gemeinsamen Mittagessen ganz offen unsere Fragen beantworteten und von ihren Familien erzählten. Man merkte, wie interessiert alle waren, als sich alle um die Zeitzeugen versammelten, um aufmerksam ihren Erzählungen zu lauschen. Außerdem betonten sie, wie wichtig es ihnen ist, jungen Menschen über ihre Erfahrungen berichten zu können. Ich fand es wirklich erstaunlich, dass uns so viel Offenheit und Dankbarkeit entgegengebracht wurde. Das hätte ich nicht erwartet. Wir schätzten uns alle glücklich, die einmalige Möglichkeit gehabt zu haben, von Zeitzeugen der Leningrader Blockade über ihre Erfahrungen und Erlebnisse zu hören.
Rückblickend war das Programm sehr abwechslungsreich gestaltet und bot die Möglichkeit, unsere Wissenslücken, die Leningrader Blockade betreffend, schließen zu können. Trotz des straffen Zeitplans blieb auch genug Zeit zum Entspannen, Besichtigen und Genießen. Durch die intensive Auseinandersetzung mit der Thematik mit Hilfe der einzelnen Veranstaltungen wurden wir zum Nachdenken angeregt und konnten unterschiedliche Aspekte der Blockadezeit kennenlernen.”