Zum Gedenktag für die Opfer der Leningrader Blockade
Der 8. September ist ein besonderer Tag in der Geschichte Sankt Petersburgs. Vor genau 78 Jahren, am 8. September 1941, nahmen faschistische Truppen die Stadt Schlüsselburg ein. Leningrad war damit auf dem Landweg vollständig von der “großen Erde” abgeschnitten. So begann die Leningrader Blockade, die 871 Tage dauerte und im Gedächtnis des russischen Volkes als Inbegriff von Heldenmut und Unbeugsamkeit der Bewohner einer belagerten Stadt geblieben ist.
Vor einigen Jahren ging von der “Gesellschaft der Bewohner des belagerten Leningrad”, die bis zum heutigen Tag all die Menschen vereint, die die schrecklichen Ereignisse zwischen 1941 und 1944 überlebt haben, die Initiative aus, den 8. September zum Gedenktag für die Opfer der Leningrader Blockade zu machen. Nun finden in der Stadt alljährlich Veranstaltungen statt, die diesem Tag gewidmet sind: An Gedenkstätten werden Blumen niedergelegt, Ausstellungen und Fotoprojekte werden eröffnet.
Für die Leningrader war dieser Tag im Jahr 1941 bereits der 79. Kriegstag. Am Tag, an dem die Bombardierungen begannen, wurde klar, dass die Stadt vor schweren Prüfungen stand.
Georgi Alexejewitsch Knjasew, der Direktor des Archivs der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, notierte in seinem Tagebuch:
Abends um 7.30 Uhr, als ich mich gerade ausruhte, begann plötzlich unsere ganze Stadt zu beben. Es erklangen Schüsse aus Flaks und Maschinengewehren. Der erste Augenblick war furchtbar. Aber ich nahm mich sofort zusammen, überwand den ersten Drang einfach wegzulaufen, wegzulaufen vor der Gefahr …”
(aus D. Granin und A. Adamowitsch: “Das Blockadebuch”, S. 248 ).
Der 16-jährige Jura Rjabinkin zog in seinen Aufzeichnungen eine Bilanz des Tages:
Der halbe Himmel war von Rauch erfüllt. Sie haben den Hafen bombardiert, die Kirow-Werke und diesen Teil der Stadt allgemein. Die Nacht kam. Auf der Seite der Kirow-Werke war ein Feuermeer zu sehen. Allmählich legt sich das Feuer. Rauch, Rauch dringt überallhin vor; sogar hier können wir seinen scharfen Geruch spüren. Er brennt ein wenig im Rachen. Ja, das ist die erste richtige Bombardierung der Stadt Leningrad. Jetzt beginnt die Nacht, die Nacht vom achten auf den neunten. Was aber wird diese Nacht bringen?”
(ebenda, S. 246).
In der ganzen Stadt machten hunderttausende von Menschen diese Ereignisse durch. Obwohl sie alle sich in verschiedenen Teilen der Stadt befanden, obwohl sich das Leben jedes Einzelnen davon unterschied, was andere wussten oder erlebten, so sind es doch eben diese persönlichen Geschichten und Erlebnisse der Leningrader, aus denen die Geschichte der ganzen Leningrader Blockade besteht.
Auch wenn seitdem bereits viele Jahrzehnte vergangen sind, so sind doch diejenigen noch immer am Leben, die 1941 mit erstarrten Herzen auf Neuigkeiten von der Front warteten oder sich in Luftschutzkellern verbargen, um kein Opfer des ersten massiven Luftangriffs auf die Stadt zu werden. Unsere Pflicht ist es, für zukünftige Generationen die Geschichte zu erhalten, deren Zeugen unsere Großmütter und Großväter waren.
Wir rufen euch auf, an diesem Tag an die zu denken, die schon nicht mehr bei uns sind, und denen zu danken, die am Leben geblieben sind. Aber auch an all den anderen Tagen sollten wir die Veteranen der Blockade nicht vergessen. Besucht eine der vielen Veranstaltungen, die von der Stadtverwaltung organisiert werden, nehmt an einer Benefizaktion oder an einem Kulturevent teil. Wenn ihr euch mit Überlebenden der Blockade direkt unterhalten oder etwas Neues zur Geschichte erfahren möchtet, dann besucht die öffentlichen Veranstaltungen des Projekts “Humanitäre Geste”.
Nur die Erinnerung an die Ereignisse der Vergangenheit hilft uns dabei, die gleichen Fehler in der Zukunft nicht noch einmal zu machen.