Veranstaltungen für Alumni: Treffen mit dem Philokartisten W.I. Jelkin
Heute berichten wir über eine weitere Veranstaltung für Alumni des Freiwilligenprogramms der Humanitären Geste: einen Workshop zu Postkarten und Briefen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Organisiert wurde das Treffen von Maria Gargyants:
Am 24. November 2022 fand ein Treffen von Freiwilligen der Humanitären Geste mit Wladimir Iwanowitsch Jelkin statt. Wladimir Iwanowitsch ist Philokartist: Er sammelt Postkarten und Briefe aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Sein persönliches Archiv umfasst Tausende authentischer Geschichten. Diese Sammlung zeigt die unsichtbaren Fäden, die Front und Hinterland zur Zeit der Leningrader Blockade verbanden. Während der Jahre der Suche nach Postkarten und Briefen konnte sich Wladimir Iwanowitsch sehr gut mit dem Aufbau der Feldpost vertraut machen. Er berichtete den Teilnehmenden unseres Workshops, wie die sowjetische Militärzensur funktionierte, wie viele Mitarbeiter die Zensurbehörde in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges jeweils hatte und wie sich die Stempel der Zensoren in der Roten Armee von denen der Alliierten unterschieden. Dazu zeigte er Beispiele von verschiedenen Brieftypen und den Methoden ihrer Herstellung, die vom totalen Papierdefizit in Leningrad geprägt waren. Für die Teilnehmenden war dies eine unerwartete Herangehensweise an die Erforschung der Blockadegeschichte. Bei der Arbeit mit diesen Quellen hörten wir nämlich nicht nur mündliche Zeugnisse über die Blockade als solche, sondern vertieften uns auch selbstständig in die Lektüre kleiner Geschichten gewöhnlicher Leningrader. Die kurzen, lakonischen Texte, die Familienmitglieder einander weitergaben, zeigten den Teilnehmenden, was die Menschen in Leningrad und die Kämpfer an der Front bewegte und welche Gerüchte die Leningrader täglich umgaben. In jedem Brief zeigten sich die individuellen Charakterzüge des Autors: nicht nur anhand des Textaufbaus, sondern auch an der Handschrift, der Auswahl des Papiers und der Falttechnik des Briefs. Der eine sparte bei jeder Zeile und schrieb in gerader, kleiner Schrift auf der Rückseite einer Zeitung, der andere benutzte, möglicherweise vollkommen unbewusst, besondere Briefbögen für Wehrmachtsoffiziere. Unter den von uns betrachteten Briefen fanden sich auch solche, für die ein und dasselbe Zeitungsblatt zweimal benutzt wurde. Das Treffen war sehr erkenntnisreich. Wladimir Iwanowitsch erzählte den Teilnehmenden, dass er seine Sammlung weiterhin vervollständigt und Briefe von Partisanen sucht.
Maria Gargyants