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Vera Inber

Vera Inber

Die Hauptfigur unseres heutigen Artikels ist Vera Michailowna (Moissejewna) Inber (geb. Spenzer): Dichterin, Übersetzerin und Überlebende der Leningrader Blockade.
Sie wurde 1890 in Odessa geboren. Ihr dichterisches Talent zeigte sich schon im Kindesalter. Inber lebte mehrere Jahre in Europa, und zwar in Frankreich und der Schweiz. 1914 kehrte sie in ihre Heimat zurück; einige Zeit später zog sie nach Moskau.

Im August 1941 (kurz vor dem Beginn der Blockade) zog sie nach Leningrad. Ihr Mann, der Medizinprofessor Ilja Davidowitsch Straschun, war zum Direktor des 1. Leningrader Medizinischen Instituts ernannt worden. Die Dichterin blieb fast drei Jahre lang mit ihrem Mann in der belagerten Stadt.

„Fast drei Jahre lang“ – so heißt auch Inbers Blockadetagebuch, indem sie aufrichtig beschrieb, wie Leningrad in der schwersten Periode seiner Geschichte lebte. Es folgen einige Ausschnitte aus dem Tagebuch:

Es fühlte sich seltsam an, als eine kühle Frauenstimme kurz angebunden sagte: „Bis zum Ende des Krieges bleibt das Telefon abgeschaltet.“ Ich versuchte irgendwie zu widersprechen, zu protestieren, doch ich wusste selbst, dass es keinen Zweck hatte. Einige Minuten später klingelte das Telefon an und verstummte … bis zum Ende des Krieges. Und sofort erstarrte die Wohnung, erkaltete, war von nun an auf der Hut. Sie war jetzt von der ganzen Stadt getrennt. Und so wurden die Telefone überall gleichzeitig abgeschaltet. Es blieben nur noch einige wenige übrig: in den Behörden (den besonders wichtigen), den Krankenhäusern und den Lazaretten.

16. September 1941

Gestern hörten wir in der Philharmonie Beethovens Neunte Sinfonie. Doch offenbar werden wir keine Konzerte mehr besuchen. Es wird zu kompliziert und zu gefährlich. Auf dem Rückweg war die Nacht dermaßen schwarz, die Dunkelheit war so dicht wie in einem geschlossenen Raum ohne Licht. Wir hatten keine Taschenlampe. Wie durch ein Wunder gelangten wir zur Straßenbahnhaltestelle. Dort wurden wir beinahe von Lastwagen angefahren. Plötzlich spürte ich die kalte und nasse Seitenwand eines Lastwagens an meiner Wange. Die Philharmonie selbst wird immer finsterer. Eine arktische Kälte. Die Brotration wurde zum zweiten Mal gesenkt.

10. November 1941

Das gewaltigste Ereignis im Leben Leningrads: seine vollständige Befreiung von der Blockade. Und hier finde selbst ich als professionelle Schriftstellerin keine Worte. Ich sage nur: Leningrad ist frei. Und das ist alles.

27. Januar 1944

Wir gehen nach Moskau, wahrscheinlich am Montag, den 12. Leb wohl, Leningrad! Nichts in der Welt wird dich aus dem Gedächtnis derer löschen, die all diese Zeit hier gelebt haben.

7. Juli 1944

Das Thema Blockade fand auch in anderen Werken Inbers wieder. Ihre Gedichte sind in dem kurzen Sammelband „Die Seele Leningrads“ zusammengefasst. Für das Poem „Der Meridian von Pulkowo“, das sie im Herbst 1941 begann, erhielt die Dichterin im Jahr 1946 den Stalinpreis, die höchste zivile Auszeichnung der damaligen Zeit. Dieses Werk ist voll von Tragik und Kummer: Wissenschaftler heben seine Detailgenauigkeit und die hohe Bildhaftigkeit besonders hervor.

Auch in dem lyrischen Tagebuch „Die Seiten der Tage durchsehend …“ ist das Blockadethema präsent. Dieses Tagebuch führte Inber in der Zeit von 1924 bis 1965. Es ist eher dem künstlerischen Schaffen und der Schriftstellerei gewidmet.

Während der Blockade arbeitete Vera Inber beim Radio. Sie trat in Lazaretten, Schulen und an der Frontlinie auf. Ihr Ehemann Ilja Davidowitsch Straschun war einer der wichtigsten Theoretiker und Führer der sanitären Aufklärung in der UdSSR. Er schrieb ebenfalls, und zwar Werke über das Leben und die wissenschaftliche Tätigkeit bekannter russischer Mediziner sowie über die Geschichte der russischen Medizin.


Quellen:

Tagebücher Vera Inbers auf der Website des Projekts „Proschito“

Artikel über die Dichterin auf der Website des „Schriftstellerbuchladens“