Die Pilotphase ist vorbei!
Vom ersten Treffen am Flughafen bis zum Abschlussabend sind knapp drei Monate vergangen.
Drei Monate Lachen und freudige Gespräche untereinander, mit Blockadeüberlebenden (die sich als lebensfrohe, aktive und begeisterungsfähige Seniorinnen erwiesen) und mit dem Team des drb.
Drei Monate Staunen, Entsetzen und Versuche, zu verstehen: Die Leningrader Blockade – was war das? Was haben diejenigen durchgemacht, die damals bereits zehn Jahre alt waren, was erlebten die, die erst fünf waren? Wann hat das alles angefangen? Aus den Gesprächen mit den Blokadniki, den Treffen in den Zentren und zu Hause, aus den Erzählungen der Museumsführer und aus Büchern hat jeder eine Geschichte in seinem Kopf abgespeichert und eine eigene Vorstellung davon bekommen, was dort eigentlich passiert ist.
Drei Monate russische Vokabeln lernen und russische Kultur verstehen (wir kennen jetzt alle Feinheiten beim Schenken von Blumen ebenso wie bei den nicht besonders freundlichen Damen von der Post und wir wissen, wie ein “typisch russisches Mädchen” aussieht).
Drei Monate voller Treffen, Veranstaltungen und Unterrichtsstunden, bei denen du manchmal Organisator und manchmal Teilnehmer bist.
Drei Monate Leben in einer Metropole.
Drei Monate Leben im Projekt …
Innerhalb von drei Monaten haben wir so viel über die Blockade gelernt, dass wir sogar selbst eine Ausstellung gestaltet haben – mit allem, was wir dafür als notwendig erachtet haben. Den Feedbacks zufolge waren die populärsten “Exponate” die selbst gemalte Katze und die Kanne – kleine Symbole für die belagerte Stadt.
Während der Arbeit in den Familien ertappte ich die Freiwilligen oft bei dem Ausdruck “meine Oma”: “Wir waren mit unserer Oma heute im Park”, “Meine Oma hat uns eingeladen”, “Unsere Oma hat morgen Geburtstag” … Einige der Blockadeüberlebenden waren sogar ein bisschen pikiert, denn schließlich haben sie ihre eigenen Enkel und die Freiwilligen ihre eigenen Omas! Aber alles natürlich nur im Spaß.
Zum Abschlussabend, den die Freiwilligen selbst organisierten, kamen etwa 30 Gäste. Es wurde gesungen, gespielt, herumgealbert – und schließlich begannen “unsere Omas” zu erzählen. Sie sprachen darüber, was sie fühlten, als die Freiwilligen bei ihnen waren. Ihre Emotionen lassen sich hier kaum beschreiben. Die Zeit, welche die Freiwilligen ihnen geschenkt haben, nannten sie “Jugendelixier”, “neuen Glauben an das Leben” und “eine neue Familie”. Die Freiwilligen weinten. Und ich weiß, dass viele von ihnen nicht den Kontakt verlieren, sondern sich treffen, miteinander telefonieren und einander schreiben werden. So haben die deutschen Teilnehmenden also ihre “russischen Omas” bekommen.
Als Projektkoordinatorin überwältigten mich nach der letzten Versammlung und dem letzten Treffen seltsame Gefühle. Hier sind sie, die jungen Menschen, die du in den letzten drei Monate fast jeden Tag gesehen hast, füllen ihre letzten Feedbackbögen aus, bemühen sich, tief in sich hineinzuschauen und zu verstehen, was sie in dieser Zeit gelernt haben, und versuchen, ihr heutiges Ich mit dem zu vergleichen, das am 30. September dieses Jahres ins Flugzeug gestiegen und in das “Venedig des Nordens” geflogen ist. Einerseits sind das einfach die Teilnehmenden des Projekts – andererseits die Menschen, mit denen du ein ganzes Leben verbracht hast, das nur 80 Tage dauerte.
Allerdings ist die Pilotphase eines Projekts eben auch genau das: Du testest, wie das eigentlich alles funktioniert. Schon im nächsten Programm, das im April startet, werden wir vieles verändern. Darüber berichten wir in unserem nächsten Artikel Ende Januar.