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Die Petersburger Vorstädte während der Blockade, Teil 2. Oranienbaums militärische Vergangenheit

Die Petersburger Vorstädte während der Blockade, Teil 2. Oranienbaums militärische Vergangenheit

Sankt Petersburg rühmt sich nicht nur der Sehenswürdigkeiten innerhalb seiner Stadtgrenzen, sondern auch außerhalb davon. Vorstädte wie Puschkin, Gatschina, Peterhof und andere locken jedes Jahr Tausende Touristen an.

Etwa 47 Kilometer von Petersburg entfernt liegt die Stadt Lomonossow (früher: Oranienbaum). Peter I. schenkte diese Vorstadt an der Südküste des Finnischen Meerbusens dem Fürsten Alexander Danilowitsch Menschikow, dem ersten Generalgouverneur von Petersburg. Am gegenüberliegenden Ufer befindet sich die Insel Kotlin. In ihrem östlichen Teil beherbergt sie einen Marinehafen und die Festungsstadt Kronstadt (Genaueres hierzu lest ihr in zwei Wochen in unserem Blog).

Die Bezeichnung Oranienbaum ist von Legenden umwoben. Der einen Version zufolge ist sie auf den Namen des englischen Königs Wilhelm III. von Oranien-Nassau zurückzuführen, den Peter I. sehr verehrte. Laut einer anderen Version hat die Bezeichnung deutsche Wurzeln. Als Peter I. in die Stadt kam, besuchte er ein Gewächshaus, in dem wilde Orangen gezüchtet wurden. Unter jedem Bäumchen prangte die Aufschrift “Oranienbaum”. Hierher rührte auch der Name. Den Baum hingegen kann man bis heute im Wappen der Stadt sehen.

Unter Fürst Menschikow entstanden der Große Palast (das Menschikow-Palais) und der Untere Park. Der spätere Kaiser Peter III. ließ als nächster Besitzer von Oranienbaum ebenfalls einen Palast sowie die kleine Militärstadt “Peterstadt” für die militärische Ausbildung errichten. Während der Herrschaft von Katharina der Großen erhielt die Stadt endgültig das Aussehen einer reichen Zarenresidenz: Hier entstand das sogenannte Eigene Landhaus. Dabei handelt es sich um einen ganzen Komplex von Gebäuden, der aus dem Chinesischen Palast, dem Haus der Kavaliere, dem Zofenhäuschen, dem Rutschberg und einem Teich mit Anlegeplatz besteht.

Nach der Revolution von 1917 waren in den Palästen von Oranienbaum verschiedene Militär- und Ausbildungseinrichtungen untergebracht, zeitweise auch ein Hospital. Heute trägt die Stadt einen anderen Namen: Lomonossow. Bereits im Jahr 1753 gründete der Gelehrte Michail Wassiljewitsch Lomonossow in Ust-Rudiza (ein Dorf in der Nähe von Oranienbaum) eine Fabrik zur Herstellung von Buntglas und künstlichen Perlen. Seit 1948 trägt Oranienbaum den Namen dieses großen Wissenschaftlers.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt aufgrund ihrer günstigen Lage für die deutsche Armee zu einer begehrten Beute. Kronstadt war die Basis der Baltischen Flotte. Der Finnische Meerbusen ist nicht besonders groß, sodass Schiffe spezielle Kanäle befahren müssen, die vom Ufer aus beschossen werden können, sofern man das Gebiet von Oranienbaum einnimmt. Auch in der Stadt selbst befanden sich einige Marineobjekte sowie Lagerstätten.

Im September 1941 rückte die deutsche Armee auf Leningrad zu und nahm dabei Peterhof ein. Ihre nächsten Ziele waren das Fort “Rote Anhöhe” und die Batterie “Graues Pferd”2 sowie im Anschluss daran die Festung Kronstadt. Die 8. Armee unter General Wladimir Iwanowitsch Schtscherbakow leistete den deutschen Truppen Widerstand. Ihnen schlossen sich zwei Brigaden der Marineinfanterie und der Seeluftstreitkräfte sowie die Küsten- und Schiffsartillerie an. So entstand der “Brückenkopf von Oranienbaum” (auch “Kessel von Oranienbaum”)3, der 29 Monate lang verteidigt wurde.

Oranienbaum befand sich somit ebenfalls im Blockadering, wobei es allerdings nicht nur vom übrigen Land abgeschnitten war, sondern auch von Leningrad. Die Stadt unterlag ständigen Bombardierungen und Artilleriefeuer. Die tägliche Brotration sank im harten Januar 1942 auf nur 100 Gramm pro Person (in Leningrad betrug die kleinste Brotration zu dieser Zeit 125 Gramm). Aber dies brach den Willen der Einwohner nicht: Sie organisierten Partisaneneinheiten, arbeiteten in Hospitälern und halfen der Armee. In der Stadt setzte auch eine Schule ihre Arbeit fort.

Schon Ende Juni 1941 war entschieden worden, die Park- und Museumskomplexe von Oranienbaum zu schließen. Wertvolle Exponate wurden für die Evakuierung vorbereitet.

Im Winter 1941/42 wurde der Brückenkopf von Oranienbaum von 27 000 Menschen verteidigt. Dieser Ort wurde zu einem Symbol der Tapferkeit und der Unbeugbarkeit der Seele. Die Verteidigung wurde von der sogenannten Operativen Küstengruppe, der 48. Schützendivision unter der Führung von Generalmajor Afanassi Iwanowitsch Safronow sowie der Baltischen Flotte und der Marineinfanterie gehalten. Die Garnison der “Roten Anhöhe” und des “Grauen Pferds” hielten den Brückenkopf von Oranienbaum bis zur Aufhebung der Blockade im Jahr 1944.

Während dieser ganzen Zeit befand sich der berühmte Panzerkreuzer Aurora4 im Hafen von Oranienbaum. Er nahm nicht an den Schlachten teil, aber seine Geschütze wurden abgebaut und den Landstreitkräften zur Nutzung überlassen.

Nachdem sich der Blockadering geschlossen hatte, war die Stadt nur noch über Wasser mit Leningrad verbunden. Ab November 1941 wurde auf dem Finnischen Meerbusen die Kleine Straße des Lebens in Betrieb genommen, die analog zur hauptsächlichen, über den Ladogasee verlaufenden Straße des Lebens benannt wurde. Die Kleine Straße des Lebens verband Oranienbaum über Kronstadt mit dem Dorf Lissij Noss5. Auf diese Weise konnte man Lebensmittel aus Leningrad heranschaffen und Menschen evakuieren. Im Sommer 1942 wurde ein Großteil der Bevölkerung evakuiert.

Ungeachtet der geringen Größe des Brückenkopfs – er war etwa 65 Kilometer lang und 25 Kilometer breit – spielte er die entscheidende Rolle im Kampf um Leningrad. Es ist erwähnenswert, dass das Palast- und Parkensemble von Oranienbaum als einziges in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben ist, da es während des Krieges nicht so sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde wie die anderen Vorstädte.

In unserem Artikel über die Petersburger Schulmuseen haben wir bereits über das Museum in der Schule Nr. 238 im Admiraltejski-Bezirk berichtet, das den Namen “Helden des Brückenkopfs von Oranienbaum” trägt. Die Arbeiten zur Gründung des Museums begannen mit Suchaktionen auf den Schlachtschauplätzen, an denen Schülerinnen und Schüler, Absolventen und Kriegsveteranen teilnahmen. Das Museum wurde im Mai 1976 feierlich eröffnet und führt seine Recherchearbeiten bis heute fort.

Quellen:

“Der Pomeranzen-Brückenkopf” (Artikel): https://историк.рф/journal/померанцевый-плацдарм/

Offizielle Website des Staatlichen Museumsschutzgebiets “Peterhof”: https://peterhofmuseum.ru/objects/oranienbaum

https://www.gov.spb.ru/gov/terr/reg_petrodv/

Offizielle Website der Stadtverwaltung Sankt Petersburg: https://www.gov.spb.ru/gov/terr/reg_petrodv/news/156445/

Städte militärischen Ruhms: http://pobeda.poklonnayagora.ru/city/35.htm

Offizielle Website der Kommune Lomonossow: https://mo-lomonosov.ru/articles.php?article_id=6

Website des Museums “Panzerkreuzer Aurora”: http://aurora.org.ru/rus/index.php@theme=history

[1] Heute trägt nur noch das Palast- und Parkensemble den Namen Oranienbaum.

[2] Die Forts wurden kurz vor dem Ersten Weltkrieg am Ufer des Finnischen Meerbusens gebaut, um die Küstengebiete westlich von Oranienbaum zu schützen.

[3] Dieser Ort wird auch als Kessel von Oranienbaum bezeichnet, da er kein Brückenkopf im vollen Sinne dieses Wortes war.

[4] Der Panzerkreuzer Aurora war das wichtigste Schiff der russischen Marine. Im Ersten Weltkrieg diente es in der Ostsee, nahm an der Februarrevolution von 1917 und der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und verschiedenen Schlachten teil.

[5] Lissij Noss (russ. “Fuchsnase”) ist ein Kap im nördlichen Teil des Finnischen Meerbusens.