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Bibliotheken in der Blockadezeit

Bibliotheken in der Blockadezeit

Das moderne Sankt Petersburg zählt offiziell 198 Bibliotheken. Die Petersburger lieben Bücher und das schon immer. So galt auch Leningrad als wichtiges Zentrum der Literatur. Vor dem Krieg gab es in der Stadt etwa 52 Bezirksbibliotheken. Nach Beginn des Krieges und anschließend der Blockade setzten die Bibliothekare ihre Arbeit fort, weshalb man sie wohl mit Recht als „Kämpfer an der kulturellen Front“ bezeichnen kann. Im heutigen Artikel berichten wir, wie sich diese Arbeit gestaltete.

In der belagerten Stadt blieben 22 Bibliotheken geöffnet. Trotz der erschwerten Bedingungen – in den Räumlichkeiten gab es weder Heizung noch Strom – führten die Mitarbeiter umfangreiche Bildungsaktivitäten durch: Sie organisierten Gespräche wie auch diverse Veranstaltungen und lasen Verwundeten in Hospitälern vor. Daneben halfen sie bei der Organisation der sogenannten „mobilen Abteilungen“, die sich in Krankenhäusern und auf Bahnhöfen befanden. Außerdem ruhte die Vorbereitung der wertvollsten Exemplare zur Evakuierung auf ihren Schultern.

Nichtsdestotrotz reagierten die Bibliotheken schnell und flexibel auf die Anforderungen der Zeit: Neben der Bildungstätigkeit übernahmen die Mitarbeiter auch andere Aufgaben. In der L.-N.-Tolstoi-Bibliothek wurden beispielsweise Kurse im Bereich Bauwesen organisiert. Als die Verordnung „Über die Förderung des individuellen Gemüseanbaus“ verabschiedet wurde, kamen die Mitarbeiter mit der nötigen Literatur auf die Anbauflächen, denn die Leningrader brauchten zusätzliche Beratung zu diesen Fragen.

Was lasen die Menschen in dieser Zeit?

Archivdaten belegen, dass in erster Linie Belletristik, Abenteuerromane und Fantasy gelesen wurden. Wie bereits erwähnt, gab es auch eine Nachfrage nach Büchern über den Gemüseanbau sowie nach technischer Literatur. Zudem stieg die Nachfrage nach Büchern über Gesundheit und Medizin wie auch nach Werken zur russischen Geschichte. Häufig organisierten die Bibliothekare „Ausstellungen“ mit ausgewählter Literatur zu einem bestimmten Thema. In den Bibliotheksausweisen finden sich Gedichte von A.S. Puschkin und M.J. Lermontow, „Krieg und Frieden“ von L.N. Tolstoi, „Die Abenteuer von Tom Sawyer“ von M. Twain sowie Abenteuerromane von W. Scott und J. Verne. Zudem las man Gedichte von A.A. Achmatowa, O.F. Bergholz und M.A. Dudin.
Daneben stieg auch die Nachfrage nach russischen Volksmärchen, und zwar nicht nur unter den Kindern, sondern auch unter den Erwachsenen.

Man könnte sagen, dass die öffentliche Bezirksbibliothek in der Zeit der Blockade zu einem Kultur- und Informationszentrum wurde, denn dort konnten sich die Menschen nicht nur von ihrem Alltag ablenken, sondern auch wichtige Nachrichten erfahren.

Heute gibt es im Petersburger Moskowski-Bezirk eine Bibliothek mit dem Namen „Buchmuseum der belagerten Stadt“. Sie wurde im Jahr 1996 eröffnet. Auf der einen Seite ist dies ein Museum, auf der anderen Seite eine öffentlich zugängliche Bibliothek. Das Museum verwahrt eine der größten Sammlungen von Büchern, die im belagerten Leningrad herausgegeben wurden. Die Leserinnen und Leser können sich dort nicht nur mit dem Bestand zur Blockade und Gedenkbüchern vertraut machen, sondern auch moderne Literatur ausleihen.


Quellen:

Malachowa, S.N., Klimowa, I.J. (hrsg.): Bibliotheken im belagerten Leningrad. Artikelsammlung. Sankt Petersburg, Zentrale städtische Majakowski-Bibliothek: 2019. (Kolossowa, S.G.: „Die Bibliotheken kämpften auch“)

Website der Bibliotheken des Moskowski-Bezirks.