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Die Isaakskathedrale in den Jahren der Blockade

Die Isaakskathedrale in den Jahren der Blockade

Auf seiner Reise durch Russland schrieb der französische Schriftsteller Théophile Gautier: “Das Gold der Kuppeln und Turmspitzen funkelte auf dem reichsten und wunderbarsten Diadem, das jemals auf dem Haupt einer Stadt getragen wurde. Einer Tiara gleich erhob die Isaakskathedrale zwischen vier Glockentürmen ihre goldene Kuppel …”1. Mit diesen Worten charakterisierte der Schriftsteller – zu diesem Zeitpunkt bereits ein gewandter Reisender – eines der berühmtesten und überwältigendsten klassizistischen Bauwerke in Petersburg.

Die Isaakskathedrale sah allerdings nicht immer so aus, wie wir sie heute kennen. Im Jahr 1710 wurde die erste Kirche – damals noch aus Holz gebaut – dem heiligen Isaak von Dalmatien geweiht. Die Kirche befand sich in der Nähe der Admiralität, an eben dem Ort, wo die Trauung Peters I. mit Katharina I. stattfand. Die klimatischen Bedingungen forderten jedoch ihren Tribut: Schon sieben Jahre später musste die hölzerne Kirche durch einen Bau aus Stein ersetzt werden. Dabei wurde sie auch näher an das Ufer der Newa versetzt, das zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht befestigt war. Es begann sich abzusenken, sodass die Kirche einzustürzen drohte – und dann kam auch noch ein Brand hinzu. Die dritte “Kathedrale” wurde bereits an der Stelle der jetzigen Isaakskathedrale errichtet – das war aber immer noch nicht das Gebäude, das uns heutzutage zum Staunen bringt. Der Bau wurde zu unterschiedlichen Zeiten von verschiedenen Architekten geleitet, was dazu führte, dass das Endergebnis äußerst merkwürdig aussah und wenig mit den umliegenden Gebäuden harmonierte.

Kaiser Alexander I. entschied sich für einen Umbau der Kathedrale und lud dazu einen Architekten ein, der ihm schon einige Jahre zuvor ein Album mit Skizzen vorgelegt hatte: den französischen Künstler und Historiker Auguste de Montferrand. Er kam 1816 nach Petersburg und begann zwei Jahre später mit dem Bau der Isaakskathedrale, der 40 Jahre lang dauerte (von 1818 bis 1858).

Die heutige Kathedrale ist 101,5 Meter hoch. Ihre aus Ziegelsteinen bestehenden Wände sind mit Granit und Marmor verkleidet. Das Gotteshaus wird ringsum von 49 monolithischen Säulen geschmückt, von denen jede mehr als 100 Tonnen wiegt. Die Kathedrale hat fünf Türme, vier davon sind Glockentürme. Gekrönt wird die Komposition von einer metallenen, von 24 Säulen umrahmten Kuppel, die den Blick auf das überwältigende Panorama der Stadt eröffnet. Beim Bau wurden 43 verschiedene Arten von Mineralien verwendet. Nach ihrer Weihe im Jahr 1858 wurde die Isaakskathedrale zur wichtigsten Petersburger Kathedralkirche. In den 1930er Jahren beherbergte die Kathedrale ein antireligiöses Museum.

Während der Blockade befand sich in der Isaakskathedrale ein Lager für die Kunstgegenstände der umliegenden Museen: insgesamt über 120 000 Exponate aus Schloss Peterhof, Gatschina, Oranienbaum, Zarskoje Selo, Pawlowsk2 und einigen Leningrader Museen. Im Sommer 1941 wurde die sogenannte “Vereinigte Museumswirtschaft” gegründet. Auf diese Weise beabsichtigte man die Exponate zu retten, die nicht mehr evakuiert werden konnten. Warum aber wurde ausgerechnet die Isaakskathedrale als Lagerstätte gewählt?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen konnte die Kathedrale mit ihrer Goldkuppel bei Luftangriffen als Orientierungspunkt dienen – weshalb man davon ausging, dass keine direkten Schläge gegen sie gerichtet werden würden. Zweitens konnte eine große Menge von Gegenständen in dem Gebäude untergebracht werden, indem die Kellerräume miteinbezogen wurden. Auch die Museumsmitarbeiter, die keine Wohnungen in Leningrad hatten, blieben in der Kathedrale. Etwa 60 Personen (darunter auch Kinder) lebten in den unterirdischen Galerien und hielten die Exponate in gutem Zustand. Zudem hielten die Museumsmitarbeiter weiterhin Vorlesungen in Hospitälern, setzten ihre wissenschaftliche Arbeit fort, führten Tagebuch und konzipierten Ausstellungen.

Die Kathedrale als eines der wertvollsten Architekturdenkmäler Petersburgs musste unbedingt erhalten werden. Ihre goldene Kuppel wurde mit graublauer Tarnfarbe übermalt, damit sie keine Aufmerksamkeit erregt. Die Fenster wurden mit Ziegelsteinen vermauert, als Brandschutzmaßnahme wurden alle hölzernen Beläge entfernt. Rund um das Gebäude waren Sperrballons angeordnet, auf dem Dach der Kathedrale befanden sich Luftabwehrposten.

Auf dem nahegelegenen Platz stand eine Fliegerabwehrbatterie, über die deutsche Flugzeuge beschossen wurden. Infolgedessen wurde auch das Gebäude der Kathedrale beschädigt. Es entstanden Risse, durch die im Winter Kälter, Schnee und Regen drangen, was sich negativ auf den Zustand der Innendekoration, der Mosaike und Wandmalereien auswirkte. Im Oktober 1941 explodierte eine Granate in der Nähe der Isaakskathedrale, deren Splitter in die Säulen einschlugen. Einige der Spuren, die sie hinterließen, sind sogar noch heute zu sehen, da entschieden wurde, die Säulen nicht zu restaurieren, sondern sie als Denkmal so zu belassen.

Im Frühjahr 1942 war es unmöglich, weiter in den unterirdischen Galerien zu leben. Die Kanalisation des Regenwassers war beschädigt, weshalb der Grundwasserspiegel erheblich anstieg. In der Kathedrale gab es keine Heizung, auch die eigentlich notwendige Lüftung fehlte. Einige Mitarbeiter wurden evakuiert, andere erhielten eine Wohnung. Ihre Arbeit aber setzten sie fort: Sie kamen zum Wachdienst, trockneten und lüfteten die Exponate, die durch die Feuchtigkeit beschädigt worden waren, und führten Buch über die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit.

Am 27. Januar 2004 eröffnete im Keller der Isaakskathedrale eine Ausstellung mit dem Titel “Um zu erinnern …”. Sie beschäftige sich mit den Museumsmitarbeitern während der Blockadezeit. Heute sind mehr als 100 Mitarbeiter der Vereinigten Museumswirtschaft bekannt. Ihre Namen wurden auf einer Gedenktafel am Eingang zur Ausstellung verewigt. Unter den Ausstellungsgegenständen finden sich authentische Gegenstände aus der Kriegszeit, Memoiren und Tagebücher von Museumsmitarbeitern, Fotografien, Kinderzeichnungen, Plakate und vieles mehr. Die Besucher der Kathedrale können in die unterirdischen Galerien hinabsteigen, um zu sehen, wie man damals die Kunstgegenstände aufbewahrte, wie über sie Buch geführt wurde und wie die Kammer eines Museumswächters aussah.


Quellen:

Golowanowa, A.W. / J.W. Mudrow (2020): Die Isaakskathedrale. Ein Wahrzeichen der Stadt, das durch die Blockade nicht gebrochen werden konnte, in: Westnik. Sodtschij. 21. Jahrhundert 1(74).

Dmitrijewa, J.W (2003): Sankt Petersburg. Handbuch zur Stadtgeschichte mit Aufgaben und Tests. Sankt Petersburg: Korona Print.

Medwinskij, D.J. (2020): Die Isaakskathedrale in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges. Zum 75. Jahrestag des Sieges, in: Staatliches Gedenkmuseum “Isaakskathedrale”. Sankt Petersburg.

Sankt Petersburg. Unterhaltsame Fragen und Antworten. Materialsammlung. Sankt Petersburg (2005).

Offizielle Website der Isaakskathedrale. Die Kathedrale während der Blockadezeit: http://www.cathedral.ru/ru/posts/isaakiy-v-dni-blokady-1-2016-09-07.

Offizielle Website der Isaakskathedrale. Ausstellung “Um zu erinnern …” http://www.cathedral.ru/ru/isaac/memory

[1] Gautier, Théophile (1988): Reise durch Russland. Aus dem Französischen übersetzt und kommentiert von N.W. Schaposchnikowa. Moskau: Mysl.

[2] Vorstädte von Sankt Petersburg, in denen sich berühmte Palast- und Parkensembles befinden.