Journalistisches Freiwilligenprogramm
Der letzte Monat war außergewöhnlich reich an Ereignissen – im Rahmen des Projekts “Humanitäre Geste” haben wir bereits mehrere Gruppen aus Deutschland empfangen und Programme für sie durchgeführt. Auch unsere Freiwilligen haben sich bereits akklimatisiert, unterhalten sich mit ihren Tandempartner/-innen und auch ihre Arbeit mit den Blockadeüberlebenden läuft auf Hochtouren.
Allerdings haben wir einen unserer Tätigkeitsbereiche bisher noch nicht so detailliert beleuchtet (vielleicht deshalb, weil die Held/-innen des heutigen Artikels daran gewöhnt sind, auf der anderen Seite der Tastatur zu sitzen) – bereits seit einigen Wochen sind die Teilnehmenden unseres journalistischen Freiwilligendienstes in Sankt Petersburg angekommen.
Diese Gruppe aus fünf Freiwilligen reiste Anfang November nach Russland, um sich näher mit der Geschichte der Leningrader Blockade bekannt zu machen und im Rahmen eines journalistischen Praktikums einmalige Erfahrungen im Umgang mit einer sehr schwierigen Thematik zu erhalten. Die Teilnehmer/-innen des Programms bleiben bis Ende Dezember in Petersburg und sammeln in dieser Zeit Materialien, die sie später weiterverarbeiten werden, um Artikel zu schreiben oder Präsentationen in einem anderen Format vorzubereiten.
Das Programm des journalistischen Freiwilligendienstes ist buchstäblich bis auf die Minute durchgeplant, wobei die Zeit sowohl für die Arbeit mit Blockadeüberlebenden als auch für die Bekanntschaft mit Sankt Petersburg reicht. Dominique Hausler, Teilnehmerin des Programms, teilt hier ihre Eindrücke mit:
“Ausgestattet mit Stift und dem guten alten Faltstadtplan ging es am 31.10. für uns Freiwillige auch schon gleich am ersten Tag los mit einer Stadtrallye zur Leningrader Blockade.
Dominique Hausler
Nach der Auslosung der Teams machten wir uns wissbegierig an die Aufgaben und starteten voller Neugier mit der ersten Frage. So hatten wir Gelegenheit, innerhalb kürzester Zeit viel über die Stadt selbst und die Denkmäler der Leningrader Blockade zu erfahren. So fanden wir die gut versteckten Statuen der beiden Katzen Wassilissa und Jelissej. Die Bedeutung von Hunden und Katzen während der Leningrader Blockade wurde uns erst durch die Statuen der beiden Katzen klar. Auch auf die noch erhaltenen Lautsprecher zur Alarmierung der Bevölkerung vor Luftangriffen wurden wir erst durch die Stadtrallye aufmerksam.
Die Rallye half uns zusammen mit Ortsansässigen erste, intensive Einblicke in die Thematik zu erlangen.”
Selbstverständlich sind eigenständige Beobachtungen nicht die einzige Informationsquelle für die Teilnehmenden. Für sie werden Einführungsseminare, Exkursionen und natürlich auch Gespräche mit Blockadeüberlebenden organisiert.
“Seit Mittwoch ist unsere Gruppe für das journalistische Praktikum endlich vollzählig. Am 07.11. ging es dann zu unserer ersten gemeinsamen Veranstaltung: dem interaktiven Einführungsprogramm zur Leningrader Blockade. Dort angekommen lernten wir die Gruppe der Mediencooperative Steinfurt e.V. kennen, welche die kommenden Tage mit uns zusammen an den spannenden Veranstaltungen des drb teilnehmen wird.
Dominique Hausler
Das Programm begann mit Input in Form eines Vortrages. Hier wurde direkt mehrsprachig gearbeitet, indem der Vortrag in russischer Sprache gehalten und von einer Dolmetscherin ins Deutsche übersetzt wurde. Durch den Vortrag konnten wir mehr über die historischen Ereignisse und den Verlauf der Blockade erfahren. Um ein authentisches Bild über die damalige Situation der Bevölkerung zu erhalten, wurden uns Fotografien aus der Blockadezeit gezeigt. Wie der Name der Veranstaltung schon vermuten lässt, wurde hier interaktiv gearbeitet, indem Fragen gestellt, Bilder beschrieben und Meinungen ausgetauscht wurden.
Außerdem hatten wir die Möglichkeit, uns intensiv mit bestimmten Themen wie Sport, Poesie oder Architektur während der Leningrader Blockade zu beschäftigen. Dazu wurden in Gruppenarbeit Texte bearbeitet, aufbereitet und anschließend im Plenum vorgestellt. Unverzüglich wurde diskutiert, wie man die Plakate am besten gestalten, die Informationen anordnen und das neu erworbene Wissen präsentieren wollte. So animierte die Gruppenarbeit zu einem regen Informationsaustausch und alle lauschten gespannt den Vorträgen der anderen.
Besonders berührend war die Geschichte des jungen Mädchens Tatjana Nikolajewna Sawitschewa, deren Tagebuch die Tragödie der Leningrader Blockade verdeutlicht. Sie notierte in ihrem Tagebuch ausschließlich die Tode von Familienmitgliedern und Freunden. Ihre Einträge schließen mit den erschütternden Sätzen „Alle sind gestorben. Nur Tanja ist geblieben.“
Natalja, unsere Expertin und Vortragende, erklärte uns zum Abschluss anschaulich am eigenen Beispiel, wie persönlich das Thema Blockade für die Bevölkerung ist. Auch die Vielzahl an Denkmälern in der Stadt selbst verdeutlichte uns nochmals die ausgeprägte Verankerung der Thematik im kollektiven Gedächtnis.”
Die Teilnehmenden des journalistischen Freiwilligendienstes werden noch viel mehr erfahren: Für sie sind nicht nur Bildungs- und Kulturprogramme, sondern auch verschiedene Treffen, ein Russischkurs sowie Trainings zur interkulturellen Kommunikation und zum Umgang mit Zeitzeugen geplant.
Im nächsten Jahr werden wir wieder ein solches Programm für angehende Journalist/-innen ausschreiben. Wenn ihr am Programm teilnehmen wollt, schreibt eine E-Mail an Ksenia Klyukina: drb.zeitzeugenprojekt@gmail.com.
Im nächsten Jahr werden wir wieder ein solches Programm für angehende Journalist/-innen ausschreiben. Wenn ihr am Programm teilnehmen wollt, schreibt eine E-Mail an Ksenia Klyukina: drb.zeitzeugenprojekt@gmail.com.